Wenn du Angst hast…

Wenn du Angst hast,

verlassen zu werden,

dann stärke deinen Rücken.

Wenn du Angst hast,

es nicht verdient zu haben,

sag dir: Ich bin es mir wert!

Wenn du Angst hast,

nicht wichtig zu sein,

dann kümmere dich um dich!

Wenn du Angst hast,

nicht genug zu sein,

dann sage dir: Ich vertraue mir und dem Leben!

Wenn du Angst hast,

das alles nicht verdient zu haben und nicht gewollt zu sein,

dann sage dir: »Ja! Ich führe eine glückliche Beziehung mit mir selbst.«

Wenn du Angst hast,

verletzt zu werden,

dann sage dir: Ich bin genauso, wie ich bin, und muss nicht perfekt sein!

Wenn du Angst hast,

von anderen ausgegrenzt zu werden,

weil du Fehler machst oder anders als sie,

dann sage Dir: Ich möchte echt sein und nicht perfekt!

Wenn du Angst hast,

vor anderen zu stehen,

dann sage es ihnen: Ich zeige es euch!

Wenn du Angst hast,

nicht mehr gebraucht zu werden,

dann sage ihnen: O doch, wenn nicht hier, dann wo anders!

Gelassen bleiben

Was uns vor

vier

drei

zwei Jahren

schwer beschäftigt hat

und umgetrieben,

dass wir dachten,

„Wie schlimm ist das denn,

werden wir das beschaffen und bewältigen?“

ist längst Vergangenheit,

passe´

vergessen.

Auch das, was

Uns vor einem Jahr

schwer beschäftigt und umtrieben hat,

ist vergangen.

Genau

das wird

den Umtrieben und Sorgen von heute

widerfahren:

Sie werden

einmal

Vergangenheit sein

passe´

vergessen

und mühsam werden

wir uns erinnern,

„Was war da eigentlich?“

So geben wir

den Dingen

und Menschen,

die uns

heute

umtreiben und beschäftigen

den richtigen Stellenwert:


Was heute so wichtig ist,

ist morgen unwichtig und passe`!

Bleibt einfach gelassen

Was wirklich wichtig ist,

sind gute Beziehungen zu den Menschen

die uns mögen und wertschätzen

und uns wichtig sind

heute

und in ein, zwei, drei, vier Jahren

genauso.

Vergeben, nicht verzeihen

Vergeben heißt:

Ich beende einen Zustand, der mich belastet: Ich will keinen Gedanken mehr daran verschwenden!

Ich bereinige etwas, was mich beschmutzt. Schwamm darüber!

Ich entschuldige mich und spreche mich selbst los. Ja, ich weiß, ich habe auch meine Schattenseiten.

Ich setze einen Schlusspunkt. Schluss, Aus, Amen.

Ich setze ein Ende. Rede nicht mehr darüber und höre auf, mich zurückzuerinnern, was war.

Ich archiviere, lege ab und vergesse, was war und irgendwann vergesse ich es vielleicht, weil es mir nicht mehr wichtig ist.

Ich sehe hinweg, übersehe bewusst, was war.

Ich beende meinen Groll.

Ich bin mir und meinen Mitmenschen wieder gut.

Das alles hat nur mit mir zu tun.

Nicht mal der, der mir übel begegnet ist, weiß davon, dass ich ihm vergebe und nicht mehr in Gedanken hinterherlaufe.

Verzeihen

ist etwas,

zwischen dem, der mir übel begegnet ist und mir

Ich kann erst verzeihen,

wenn der, der mir übel begegnet ist

zu mir kommt und sich entschuldigt.

Manchmal muss man ein Leben lang auf eine Entschuldigung des andern warten,

manchmal kommt sie nie,

darum ist auch kein Verzeihen möglich

 oder nötig.

Aber ich kann vergeben.

Um meinetwillen.

So lasse ich los und vergebe.

Ich lasse los,

worin ich verletzt worden bin.

Ich lasse los,

worin ich enttäuscht bin

und sage mir:

Es ist wie es ist!

Ich entscheide mich:

Ich vergebe.

Verzeihen kommt später

vielleicht

Mich selbst bemuttern

Wenn der Vater gestorben ist

Und die Mutter nichts mehr von mir wissen will

Kann ich immer noch eines tun
Mich selbst bemuttern

Mir selbst ein guter Vater sein

Ich kann mir selbst eine gute Mutter

Ein guter Vater sein

Auf mich und meine Bedürfnisse aufpassen

Wie ein guter Vater und eine gute Mutter es tut

Und ich kann es meinen Kindern und Kindeskindern sein

Ein guter Vater

Eine gute Mutter sein

10 Punkte, die aus beiden biblischen Schöpfungsmythen hochaktuell sind

1. Ich bin Adam, ich bin Eva, aus Erde geformt, vergänglich, mit Gottes Atem behaucht.


2. Ich bin von Gott gewollt und geformt; so wie ich bin, bin ich sehr gut!


3. Ich bin ins Leben von Gott hineingesetzt, damit ich meinen Garten Eden bearbeite und hüte.


4. Ich bin Gottes Ebenbild, ich habe Menschenwürde, ich bin wertvoll.



5. Ich bin Mann oder Frau, ich bin gleichberechtigt und gleichwertig wie jeder Mensch


6. Wir sind Teil der Schöpfung, umgeben von Mitgeschöpfen und wir sind nicht Gott.

7. Natur kann für uns bedrohlich sein, wir sind ihr manchmal hilflos ausgesetzt, aber Gott ist größer als alle Naturgewalten.

8. Sterne haben keine Macht über uns, sie sind keine Götter.

9. Wir sind dazu beauftragt, Gottes Schöpfung zu bewahren.

10. Wir sind nicht die Krone der Schöpfung, das ist der Sabbat! Wir sind Geschöpfe, die die Ruhe brauchen.

Verdichtete Lebenserfahrungen als Landpfarrer

Verdichtete Lebenserfahrungen

In den ersten Jahren wollte ich die Welt bekehren,

aber die Welt wollte sich nicht von mir,

Gott sei Dank,

bekehren lassen.

Ich machte die Erfahrung,

je mehr ich mich für Gott abstrample, desto vergebens…

Dann in einer frommen Gemeinde schaute ich in die tiefen Abgründe charismatischer Kreise:

Ich machte die Lebenserfahrung:

Je frömmer, desto ernüchternder…

Je frömmer ich mich selber gebe, desto ernüchternder mein Abgrund.

Und ich schaute auch in die realen Abgründe menschlicher Existenz als Seelsorger in einer JVA.

Ich machte dort die Erfahrung:

Die Menschen sind so, wie sie sind. Mal böse, mal gut, mal beides.

Auch ich bin so, wie ich bin: mal böse, mal gut, mal beides.

Dann in einer anderen Gemeinde machte ich im Alter von 46 Jahren mit einem Herzinfarkt die Erfahrung,

so wichtig bin ich nicht einmal.

Selbst bei der Konfirmation des eigenen Sohnes war ich ersetzbar.

Nimm dich nicht zu wichtig, jeder ist ersetzbar,

war meine Lebenserfahrung.

Nimm dich nicht so wichtig,

sagte ich mir

und suchte mir kleinere Gemeinden

Dort suchte ich neue Aufgabenfelder,

Hospizbegleiter auch für nicht gläubige Menschen

im Sterben begriffen

Und Asylantenhilfe für Menschen

in existentieller Not.

Und ich war mit meinen kleinen Gemeinden eigentlich ganz zufrieden.

Mein Glück liegt im Kleinen

im Hier und Jetzt

und im praktischen Tun und Dasein als Helfer,

war meine Erfahrung.

Der Stellenplan der Kirche veranlasste mich, mich für einen Stellenwechsel zu entscheiden.

Es war die falsche Entscheidung,

ich kann mich im Leben auch falsch entscheiden

und nach einer Weile wieder mich umorientieren, war meine Erfahrung

und auch ich kann mich auch gegen Vorgesetzte durchsetzen und zur Wehr setzen,

auch das war eine weitere Lebenserfahrung, die ich dort machte

Es war auch die Zeit geprägt von den Corona Erfahrungen.

Die Erfahrung, keine Gottesdienste

keine Seelsorgebesuche mehr machen zu können.

Als Pfarrer nichts mehr tun können, außer da sein.

Und so machte ich die Erfahrung,

auch als systemirrelevanter Mensch immer noch wert und würdig zu sein.

Selbst wenn ich nichts mehr tun und leisten kann für Gesellschaft und Kirche,

bin ich immer noch wertvoll als Mensch.

Das ist eine meiner Lebenserfahrungen.

Ich entschied mich für eine neue Stelle,

hoffentlich meine letzte Stelle-

Ich machte anfangs die Erfahrung,

loszulassen

und auch Dinge zu zulassen, die ich anders oder besser gemacht hätte.

Und auch Menschen loszulassen, die zu meiner Familie gehörten,

gehört inzwischen auch zu meiner Lebenserfahrung.

Das Leben läuft nicht so wie ich es mir gerne wünsche.

Und meine Erfahrung, dass ich mich auch gegen Vorgesetzte zur Wehr setzen kann,

setzte ich um im Einsatz für andere.

Ich darf mich wehren auch gegen das Böse, das ist nun meine Glaubenserfahrung,

wenn es sein muss mit Waffen, Gewalt und Krieg.

Seit Februar 2022 ist Krieg in der Ukraine;

Wieder eine Zeitenwende ist ausgerufen,

es wird wohl eine Wende wie 1989.

Und ich frage mich zusehends:

Gibt es Glauben außerhalb der Kirche?

Was wir uns Jesus und „Gott“ zusammengebastelt haben,

ist wohl nicht in seinem Sinn.

Gibt es ein Leben nach der Kirche?

Spielt Gott in unserer Welt noch eine Rolle?

Die einen begnügen sich mit ihren Denk- und Glaubensblasen

und lassen es sich gut gehen auf dem sinkenden Schiff der Kirche

Die anderen, dazu gehöre ich,

schauen hinaus auf einen Glaubenshorizont,

 den wir jetzt nur erahnen können.

Ich ahne und hoffe auf einen Gott

hinter meinem Glaubenshorizont.

Danken ist eine Willenssache

Psalm 56,13
„Ich habe dir, Gott, gelobt, dass ich dir danken will.“

Danken ist eine Willenssache.
Ich entschließe mich Gott für mein Leben zu danken.
Ich nehme wahr, wie unterschiedlich Menschen reagieren,
wenn sie Schweres durchmachen.
Die einen klagen, jammern.
Das ist eine Zeitlang auch gut, zu klagen und zu jammern.
Aber wenn es ein Dauerzustand wird, verbittern wir Menschen.
Und andere Menschen,                                                                                                                                                                              die das gleiche schwere Schicksal durchmachen,
erlebe ich, zunächst auch ähnlich wie alle Menschen:
Sie klagen, jammern, bis alle Tränen geweint sind                                                                                                                                                                                                       und alle Klage zu einem Ende gekommen sind.
Und dann hören sie auf und fangen an, zu danken.
Sie sind noch am Leben.
Sie haben noch Leben vor sich.
Jeder Tag ist ein Geschenk.
Ein Geschenk von Gott.
Danke
Wenn wir dieses Danke Gott
oder dem Leben aussprechen,
ganz gleich was vorher gewesen war,
werden wir ein tiefes Gottvertrauen in uns spüren.

Akzeptiere, was man nicht verstehen kann

Manchmal werden Menschen

Einfach so

Aus dem Leben geworfen

Manchmal wird der Kontakt

Einfach so

Abgebrochen

Funkstille

Kaltes Schweigen

Es bleibt dann nichts anderes

Als das zu akzeptieren

Auch wenn man es nicht verstehen kann

Manchmal sind Menschen

Nicht bereit

Zum Gespräch

Nicht bereit

Nicht mal zur Versöhnung

Selbst am Grab und darüber hinaus.

Funkstille

Kaltes Schweigen

Es bleibt dann nichts anderes

Als das zu akzeptieren

Es ist nicht immer ein Happy End möglich

Und manche Menschen

Leben und sterben lieber stolz und unversöhnt

Als die eigenen Schattenseiten wahrzunehmen.

Aber damit

Mit ihrer Funkstille

Und ihrem kalten Schweigen

Müssen diese Menschen allein leben

Und allein zurechtkommen

Wer lernt, diese Menschen

loszulassen

Kann ganz gut ohne diese Menschen leben

Jeder lebt sein eigenes Leben

Das gilt es gelassen

zu akzeptieren

Einfach dasein

Einfach dasein -göttliche Gedanken

Ich bin erschöpft

Und spüre dem nach, warum.

Nein nicht körperlich, sondern emotional bin ich erschöpft

Ich setze mich hin.
Manchmal verstehe ich die Menschen einfach nicht,

Sie denken nur an sich selbst

Und anderes interessiert sie nicht

Ich ruhe mich gerade aus an einem Baum

Die Sonne scheint, grünes Gras

Und meine Hunde sind bei mir.

Es ist ein ganz wirklich-unwirklicher Moment

Ich sitze unterhalb des Baumes

mit der Sonne und dem Grass und meinen Hunden.

In diesem eigenartigen Moment

niemand will was von mir

niemand fordert und erwartet etwas von mir.

Ich spüre dem Dasein nach,

einfach sein dürfen,

da sein

und geliebt und unterstützt zu werden,

auch wenn ich 60 bin.

Ich brauche jemanden, der einfach für mich da ist und mich liebt,

Mir kommt Gott in den Sinn,

Denn Gott ist immer da für mich

Und liebt mich wie ich bin.

1200 Jahrfeier Ein Prosit auf Weigenheim Festpredigt mit Zeitsprüngen

21.8.2022 Zeltgottesdienst in Weigenheim

Liebe Festgemeinde, liebe Weigenheimer( und wenn ich das so sage, sind immer die Weigenheimerinnen mitgemeint)!

 1200 Jahre Weigenheim! Dieses Jubiläum geht zurück auf das Jahr 822, als Weigenheim mit einer bischöflichen Urkunde verschenkt wurde. Einfach so! Wie hat es denn eigentlich mit Weigenheim angefangen? Natürlich hat es Weigenheim schon vor 822 gegeben.

Ich mache ich mit Euch eine Zeitreise. Ich sehe durch meine Leselupe und schwupp sind wir im 6.Jahrhundert. Aha, ich sehe einen Dorfältesten, Wigo heißt er. Der Wigo war wohl schon Christ, als er sich in Weigenheim mit seiner Sippe angesiedelt hat. Ich sehe einen Ortspfarrer, dem der Wigo Land und Wiese zur Verfügung gestellt hat.

Damals war es halt so, dass die Sippe das geglaubt hat, was der Sippenältester geglaubt hat. Und der Sippenältester hat den Glauben seiner Vorfahren übernommen. Seinen Vorfahren hatte irgendwann irische Mönche vom neuen Glauben erzählt. Der damalige Sippenälteste hatte den neuen Glauben übernommen und die Sippe machte es ihm nach.

Ich sehe, wie 742 Weigenheim zusammen mit Gollhofen vom Bistum in Würzburg übernommen wird. Auch wieder ein Geschenk. Klöster waren damals wichtig für die Christianisierung und Bildung in unserem Land. Irische Mönche wie der Kilian sind damals in der Frühzeit zu uns Franken gekommen und haben unseren Vorfahren den christlichen Glauben nahegebracht.

Ich sehe durch meine Leselupe und mache einen Zeitsprung ins Jahr 822.

822 schenkt also der Würzburger Bischof dann das Dorf Weigenheim dem Grafen Wickbold. Eine Urkunde besiegelt es. Das kommt öfters vor. Das Dorf Weigenheim samt Einwohnern wird als Pfand verliehen, verschenkt, dann wieder zurückgenommen und immer mussten dann die Weigenheimer tun und handeln wie es die neuen Herren vorgaben: die Hohenloher, dann das Kloster Heilsbronn, dann die Herren von Schwarzenberg. Es ist in dieser Zeit eines ganz selbstverständlich: Der Glaube der Weigenheimer hat zu katholisch zu sein. Alle sind in dieser Zeit katholisch, also auch ihr Weigenheimer. Die jeweiligen Herren haben auch ganz schön profitiert von dem Dorf. Kein Wunder wenn das Dorf immer wieder hin und hergeschenkt worden ist. Ah, in der Zeit, als Weigenheim zum Kloster Heilsbronn gehört, gibt es in Weigenheim zwar kein Kloster, aber ein paar Mönche gibt es schon. Diese Mönche sorgen dafür, dass der gute Weigenheimer Wein nach Heilsbronn ins Kloster kommt.

Ein Prosit auf Weigenheim (Weinglas)

Machen wir nun einen Zeitsprung von ein paar Jahrhunderten, einen Sprung ins mittelalterliche Weigenheim. Ich schaue uns mal an, wie meisten Weigenheimer  evangelisch geworden sind

Wie es im Mittelalter so üblich war, gab es ein paar wenige freie Herren und viele Leibeigene, die diesen Herren gehörten. Nicht anders ist es auch in Weigenheim. Die Weigenheimer gehören lange Zeit den Herren von Schwarzenberg.

 Anfangs wurden die Schwarzenberger Grafen evangelisch und die Untertanen mit ihnen ebenso. Die ersten beiden evangelischen Pfarrer sind Georg Sandritter 1558 und 1604 Valentin Conradi. Letzterer haben sie im Alter von 70 Jahren aus Weigenheim vertrieben, als die Herren von Schwarzenberg auf einmal katholisch wurden. Die Weigenheimer sollen auch wieder zum katholischen Glauben zurückkehren, weigern sich standhaft. Ich sehe eine Leerstelle, was die Pfarrstellen angeht: Von 1627 bis 1664 haben die Weigenheimer keinen evangelischen Pfarrer, 37 Jahre lang. Die Weigenheimer besuchen die evangelischen Gottesdienste in Geckenheim und Ulsenheim. Ich sehe, wie alle vier Wochen der katholische Pfarrer aus Hüttenheim kommt und einen katholischen Gottesdienst hält mit einer einzigen katholischen Familie. Der einzige Katholik ist der Schwarzenbergsche Förster. Später sehe ich, wie der katholische Pfarrer , der Arme, ganz ohne Teilnehmer aus Weigenheim in der Kirche seine Messe hält. Auch die Taufen finden 37 Jahre lang nicht in Weigenheim statt. Erst 1665 wird dann der dritte evangelische Pfarrer in Weigenheim nach 37 Jahren Leerstand installiert. Caspar Seyfarth, verstorben 1701 in Weigenheim. Ich selbst bin, wenn ich mich nicht verzählt habe, der 26. evangelische Pfarrer hier in Weigenheim seit der Reformation.

Mich als evangelischer Pfarrer beeindrucken diese 37 Jahre Gemeindeleben ohne evangelischen Pfarrer. Den Weigenheimern ist der evangelische Glaube wichtig. Sie wechseln nicht einfach ihren liebgewordenen evangelischen Glauben wie das Hemd. 37 Jahre sind sie ohne evangelischen Pfarrer ausgekommen. Es wird auch nicht so einfach gewesen sein, alle 4 Wochen den katholischen Pfarrer aus Hüttenheim zu einem Gottesdienst ohne Besucher erdulden zu müssen. Auch für den katholischen Pfarrer ist das sicher nicht schön.

Trinken wir auf die Weigenheimer Evangelischen! Prost

Ich sehe durch meine Leselupe und sehe, es gibt eine weitere Besonderheit im Laufe der Kirchengeschichte in Weigenheim: Machen wir deshalb einen weiteren Zeitsprung ins 1705 herum. Es gibt über Jahrhunderte auch jüdisches Leben in Weigenheim. Die Herren von Schwarzenberg hatten das Privileg, sogenannte Schutzjuden in ihrem Herrschaftsgebiet ansiedeln zulassen, auch in Weigenheim. Die ersten Weigenheimer Juden sind 1705 belegt, es gibt eine alte und eine neue Synagoge 1849 fertiggestellt. Diese wurde in der Nazizeit glücklicherweise nicht vernichtet, weil sie vorher schon lange vor der Nazizeit von der jüdischen Gemeinde verkauft worden ist. Pauline Rotschildt gehört zu ein paar Weigenheimer, die während der Nazizeit aus Weigenheim vertrieben und in den KZs verstorben sind.

Gedenken wir kurz an unsere jüdischen Weigenheimer.

Halten wir fest: Es gibt heute noch in Weigenheim eine Synagoge, in der jüdische Weigenheimer früher jüdische Gottesdienste gefeiert hatten. Es gab ein Nebeneinander und Miteinander und vereinzelt auch ein gewalttätiges Gegeneinander von evangelischen, jüdischen und vereinzelt auch katholischen Weigenheimern. Das gehört zur 1200 Jahre Weigenheimer Geschichte dazu: Der christliche Glaube wird auf unterschiedliche Weise gelebt, katholisch,  evangelisch, und auch jüdisch gelebt. Manchmal hat man sich deswegen auch die Köpfe eingeschlagen.

So, genug gesehen, springen wir in das 20.Jahrhundert. Es gab in den Jahrhunderten vorher sicherlich etliche Katastrophen, Kriegseinwirkungen, für die ich jetzt keine Zeit zum Zeitsprung habe. Wenn ich zur Neuzeit komme, komme ich nicht an einem Ereignis vorbei, an das wir heuer durch den Krieg in der Ukraine schmerzlich erinnert werden. Heute werden immer noch Dörfer und Städte in der Ukraine zerschossen. Heute brennen auch Kirchen und Kirchtürmer in der Ukraine, aber nicht nur Kirchen, sondern auch Krankenhäuser, Kindergärten, Wohnhäuser. Ähnlich wurden wurden von 1939 bis 1945 in Europa Gebäude zerbombt und Kirchtürmer in Brand geschossen. So auch am 10.4.1945 der Kirchturm in Weigenheim. Springen wir zu dem 10. April 1945:

Zeitzeuge Fritz Gall schreibt: Gleich darauf kam Frau Hahn, unsere Pfarrfrau, angerannt. Sie sagte, dass das Pfarrhaus brenne und bat mich beim Löschen zu helfen. Ich rannte mit ihr zum Brandort. Die angebaute Pfarrscheune war bereits abgebrannt, der Ostgiebel des Hauses war offen, und die Bücher brannten lichterloh. Mit Eimern trugen wir das Wasser vom Webersbrunnen an der brennenden Kirche vorbei zum Pfarrhaus. Die Saemanns Paula pumpte unermüdlich Wasser. Die Pfarrerseheleute und der Schmieds Fritz halfen noch bei den Löscharbeiten. Gemeinsam konnten wir das Pfarrhaus retten. Allerdings war es schon bereits Nacht. Die Glocke der Kirche stürzte vom Turm, das Gebälk krachte in sich zusammen, denn das Gotteshaus brannte schon am frühen Morgen. Langsam brannte der Turm wie eine Fackel. Kein Mensch kümmerte sich um die Kirche.

Wir denken kurz der Opfer der Weltkriege und auch des Krieges in der Ukraine.

1950 wird die Kirche feierlich eingeweiht. Man sieht es heute der Kirche nicht mehr an, dass sie einst fast abgebrannt hatte. Nur die Farbe des Kirchturmes fängt wieder an abzublättern, vielleicht weil 1945 beim Brand die Sandsteine ausgeglüht sind.

So jetzt springen wir zu dem heutigen Tag, 21.8.2022. Leselupe schauen. Die Kirche steht da, relativ neu hergerichtet. Ich sehe die vielen Gäste und Weigenheimer und freue mich, mit euch Zeitsprünge über 1200 Jahre Weigenheim gemacht zu haben.

Wir waren zu Anfang des christlichen Glaubens in Weigenheim. Über Jahrhunderte waren die Weigenheimer katholisch. Wir sahen Mönche den guten Wein bis nach Heilsbronn transportieren. Wir waren in der Zeit von Reformation und Gegenreformation mit der Besonderheit konfrontiert, dass die Weigenheimer 37 Jahre keine evangelischen Pfarrer gehabt hatten. Wir sahen neben den dann überwiegend evangelischen Weigenheimern gab es Jahrhundertelange auch jüdische Weigenheimer. Sie wohnten friedlich nebeneinander, bis sie dann in der Nazizeit deportiert worden sind. Wir landeten 10.4.1945 bei der niederbrennenden Kirche. Warum diese Zeitsprünge, warum erzähle ich das alles?

Die Weigenheimer Geschichte von mehr als 1200 Jahren ist auch eure Geschichte als Weigenheimer und ehemalige Weigenheimer. Für vieles, was in der Geschichte geschehen ist, können wir nichts. Wir wissen es nicht einmal, wann genau der christliche Glaube bei euch Weigenheimern angefangen hat. Ihr Weigenheimer habt eine stolze Glaubensgeschichte. Eure Väter und Mütter haben so manches alles ausgehalten und durchgemacht. Es ist nicht nur die evangelische Geschichte, auch katholische Vorgeschichte und die jüdische Geschichte eurer Vorfahren, die euch prägt. Für die nächsten sechs Jahr bin ich stolz, Weigenheimer auf Zeit zu sein. Gleichzeitig brauchten wir uns auch nicht zu viel darauf einbilden, weil keiner von uns von sich aus sagen kann: Mein Glaube ist der Beste! Unser Glaube hat eine Vorgeschichte und wir haben es letztlich nicht in der Hand, warum die einen evangelisch, andere wieder katholisch und wieder andere jüdisch geboren werden. Achtet eure Vorfahren, eure Geschichte. Christsein heute bedeutet nicht, genauso zu glauben, wie die ersten Weigenheimer geglaubt haben, auch nicht unbedingt genauso katholisch, evangelisch oder auch jüdisch zu glauben, wie früher Weigenheimer geglaubt haben.

Heute führe ich euch zur Frage: Wie ist es denn mit eurem Glauben bestellt? Euer Glaube ist eingebettet in eurer Familien- und Dorfgeschichte. Aber du darfst heute frei und selbstverantwortlich deinen Glauben leben, sogar deinen Unglauben oder nicht mehr Glauben können. Das ist ein großes Privileg gegenüber den früheren Zeiten.

Drei Kriterien für einen guten Glauben heute 2022:

1.Engagiert euch als Christen für den Frieden. Engagiert euch. Es dürfen keine Angriffskriege wie 1939 von Deutschland ausgehen. Der Angriffskrieg  2022 gegen die Ukraine muss beendet werden. Christlicher Glaube setzt sich für den Völkerfrieden ein und lässt sich auf keinen Fall vereinnahmen von den jeweiligen Herren und Tyrannen. Der Einsatz für den Frieden kann auch der wehrhafte Einsatz gegen einen Feind, der andere Völker und Menschen unterdrückt und auslöscht.

2. Moderner christlicher Glaube akzeptiert den Glauben anderer: Heute begegnen wir in unserer global vernetzten Welt neben dem katholischen Glauben auch dem orthodoxen Glauben (ukrainisch, russisch, griechisch- orthodox in allen Schattierungen.) Wir begegnen im heutigen Deutschland Gott sei Dank dem jüdischen Glauben. Und auch der muslimische Glaube gehört auch zur Glaubenswelt in Deutschland. Und immer mehr begegnen wir in Deutschland, die mit traditionellen religiösen Glauben gar nichts am Hut haben und gar nichts glauben können.

Man muss nicht alles gutheißen, was andere glauben oder nicht glauben, aber wir leben nebeneinander und miteinander friedlich in einer Demokratie, in der Konflikte und Probleme nicht mehr gelöst werden, dass man den anderen erschlägt. Darum setzt euch für ein tolerantes Menschenbild in unserer Gesellschaft ein, das die anderen als Bereicherung empfindet.

3. Nehmt euch eure Vorfahren zum Vorbild. Sie standen treu zu ihrem Glauben und haben sich doch immer auch angepasst und verändert. Mich hatte beeindruckt, dass die Weigenheimer 37 Jahre ohne evangelischen Pfarrer zu ihrem Glauben gestanden sind. Wir leben heute in Zeiten, wo Pfarrhäuser vermietet und verkauft werden, nicht mehr alle Kirchen erhalten werden können und es nicht mehr sicher ist, dass jede Gemeinde auch weiterhin ihren Pfarrer haben wird. Schon in den Jahrhunderten vorher hat sich Kirche immer gewandelt und Veränderungen kommen auch auf uns zu. Aber vertraut darauf, Gott hat eine Geschichte auch mit Euch Weigenheimern. Der Glaube vor Ort und weltweit wird sich verändern. Das ist auch gut so. Aber euer Glaube wird auch weitergehen, wenn er euch Weigenheimern wichtig ist. Gebt das, was euch in euer Glaubensgeschichte wichtig geworden ist, was euch geprägt  hat, weiter an eure Kinder und Kinderkinder. Dann wird eurer Glaube euch auch weiterhin Kraft und Mut geben, die Herausforderungen und Krisen dieser Welt zu bewältigen. Amen.

Prosit auf die Weigenheimer!