Archiv der Kategorie: Predigt

Warum Schafe das Weite suchen …

4 »Was meint ihr: Einer von euch hat hundert Schafe und verliert eines davon.

Wird er dann nicht die neunundneunzig Schafe

in der Wüste zurücklassen?

Wird er nicht das verlorene Schaf suchen,

bis er es findet?

5 Wenn er es gefunden hat, freut er sich sehr.

Er nimmt es auf seine Schultern

6 und trägt es nach Hause.

Dann ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen

und sagt zu ihnen: ›Freut euch mit mir!

Ich habe das Schaf wiedergefunden,

das ich verloren hatte.‹

Warum ist eigentlich keines der übrigen 99 Schafe aufgebrochen, um das verlorene zu suchen?

Hat es von den 99 anderen Schafen überhaupt einer vermisst?

Niemand fragt nach dir.  Niemand vermisst dich. Du gehst niemand ab.

Den anderen ist es völlig wurscht, ob du da bist oder nicht.

Sie vermissen dich nicht einmal. Das tut weh.

Warum geht keines der 99 Schafe suchen?

Waren sie nur achtlos, oder sogar froh, den Störenfried endlich vom Hals zu haben?

Hat das schwarze Schaf nicht hineingepasst?

Und als der Hirte es zurückbringt, ist keine Rede davon, dass die 99 Schafe sich darüber freuen.

Der Hirte jubelt allein.

Wie geht es in unseren Herden zu?

Gibt es dort für die einzelnen Freiräume?

Gibt es auch für sogenannte schwarze Schafe Freiräume?

Oder nur Zwang? Zwang zur Anpassung? Entweder du passt dich an oder…

Lebt es sich eigentlich gut in unseren Gemeinden?

Wer macht die Regeln?

Es gibt ungeschriebene Gesetze auch für eine Schafsherde und ein einzelnes Schaf tut gut daran, sich daran zu halten. Sonst gibt es Hiebe und Knuffe von den anderen.

Und die anderen sind stärker, können gehörig Druck machen.  

Wie reagieren wir als Gemeindeglieder, wenn sich jemand im Gemeindeleben aus welchen Gründen auch immer nicht mehr sehen lässt?

Fragen wir dann bei dem Betroffenen nach?

Oder ist es uns egal, fällt uns womöglich gar nicht auf.

Gott findet Sünde Scheiße

Gott findet Sünde genauso Scheiße wie wir.

So findet es Gott genauso Scheiße, wenn wir hartherzig und erbarmungslos miteinander umgehen.

Sünde ist Scheiße.

Und Scheiße ist es, wenn Menschen einander mit Dauerkritik überziehen.

Sünde ist Scheiße.

Und Scheiße ist es, wenn wir über andere herziehen, hinter ihrem Rücken sie und die Gemeinde schlecht machen.

Warum ist das Scheiße? Weil es spaltet zwischen denen, die Recht haben und denen die nicht recht haben.

Sünde ist Scheiße.

Und Scheiße ist es,  wenn Worte ausgesprochen werden, die, einmal ausgesprochen nicht zurückgeholt werden können. Worte vernichten, spalten, zerstören. Worte grenzen aus und verletzen.

Schluss mit der Scheiße!

Menschen können sich ändern!

Menschen können sich ändern.

Jeder Mensch kann sich ändern,

auch die Menschen von heute.

Gott hat sie noch nicht aufgegeben.

So tut es Gott unendlich leid, wenn Leben verkehrt läuft, ohne Liebe, mit Hass.

Und umgekehrt freut sich Gott, wenn Leben wieder in Bahnen läuft mit Liebe und Herzenswärme.

Jeder Tag meines Lebens bietet uns eine

Möglichkeit, unser Leben Guten hin  zu verändern.

Ein neuer Mensch sein – ein stückweit zumindestens

Joh 3,1-8 Predigt über Versöhntsein mit sich selbst 30.5.21 Trautskirchen

Neu geboren werden durch den Geist  Basisbibel

Joh 3 1 Unter den Pharisäern gab es einen, der Nikodemus hieß. Er war einer der führenden Männer des jüdischen Volkes.

2 Eines Nachts ging er zu Jesus und sagte zu ihm:

»Rabbi, wir wissen: Du bist ein Lehrer, den Gott uns geschickt hat.

Denn keiner kann solche Zeichen tun, wie du sie vollbringst, wenn Gott nicht mit ihm ist.«

3 Jesus antwortete: »Amen, amen, das sage ich dir:

Nur wenn jemand neu geboren wird, kann er das Reich Gottes sehen.«

4 Darauf sagte Nikodemus zu ihm:

»Wie kann denn ein Mensch geboren werden,  der schon alt ist? Man kann doch nicht in den Mutterleib zurückkehren  und ein zweites Mal geboren werden!«

5 Jesus antwortete: »Amen, amen, das sage ich dir:

Nur wenn jemand aus Wasser und Geist geboren wird,   kann er in das Reich Gottes hineinkommen.

6 Was von Menschen geboren wird, ist ein Menschenkind.

Was vom Geist geboren wird, ist ein Kind des Geistes.

7 Wundere dich also nicht, dass ich dir gesagt habe:  ›Ihr müsst von oben her neu geboren werden.‹

8 Auch der Wind weht, wo er will.  Du hörst sein Rauschen. Aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht.

Genauso ist es mit jedem, der vom Geist geboren wird.«

Liebe Mitchristen und Mitchristinnen,

Einmal neu anfangen!

Einmal ein anderer Mensch sein.

Wer von uns kennt ihn nicht, den Wunsch:
Ich möchte einmal ein ganz anderer Mensch sein?

Im Laufe des Lebens sehne ich mich vielleicht nach einem
Tapeten- und Rollenwechsel im Beruf oder in der Familie. Einmal neu anfangen!
Manchmal möchte ich auch– zumindest ab und zu – ein anderer Mensch sein als der, der ich nun mal bin.

Vielleicht möchte ich einmal nicht mehr so verklemmt sein, vielleicht nicht so spiessig und angepasst sein wie ich es bin.
Vielleicht möchte ich einmal ein klein wenig mehr Anerkennung von den Menschen in meinem Umfeld bekommen.

Vielleicht möchte ich auch etwas mehr Einfluss haben und manches in dieser Welt verändern können.

Einmal ein anderer Mensch sein!

Heute wünsche ich mir, ich könnte das Leben auch mal etwas gelassener und fröhlicher angehen und ich kann es doch nicht, weil ich in meiner Haut gefangen bin.

Spürt ihr nicht auch diesen Wunsch in Euch? Diesen Wunsch, ein anderer Mensch zu werden? Ich meine, er steckt in uns allen!

Und letztlich nehmen ja auch die Religionen, und auch natürlich das Christentum –
diese Ursehnsucht von uns Menschen auf, ein anderer Mensch zu werden.

Selbst Sekten behaupten, sie wüssten ein Rezept, womit sie die Menschen von sich selbst befreien, und zu einem neuen, ganz anderen Menschsein anleiten können.

Diese Sehnsucht, nochmals von neuem geboren zu werden
noch einmal neu sein zu dürfen, ist auch im Neuen Testa-ment da. Z.B. im heutigen Predigttext im Johannesevangelium.

Im 3. Kapitel des Johannesevangeliums sprechen Jesus und Nikodemus ziemlich ausführlich darüber: Ist es möglich ist, dass ein Mensch nochmals von neuem geboren wird?

Nikodemus bezweifelt dies, (Joh 3,4) »Wie kann denn ein Mensch geboren werden, der schon alt ist? Man kann doch nicht in den Mutterleib zurückkehren und ein zweites Mal geboren werden!«

Jesus dagegen behauptet:

Nur wenn jemand neu geboren wird, kann er das Reich Gottes sehen.« V3

Wundere dich also nicht, dass ich dir gesagt habe:    ›Ihr müsst von oben her neu geboren werden.‹ V7

Alles dreht sich in diesem Gespräch um die Frage:


Wie muss man denn nun von neuem geboren werden?
Wie kann man sich das überhaupt vorstellen, neu geboren zu werden?

Wenn wir heute Wiedergeburt hören, muss man erst mal wissen, was Wiedergeburt nicht ist.

Der Begriff Wiedergeburt kann zum einen missverstanden werden als Zeichen für richtiges Christsein: Die Vorstellung von der Wiedergeburt ist in manchen frommen Kreisen allein darauf beschränkt, dass man sich zu Jesus bekehrt hat. Die Wiedergeburt ist in solchen Kreisen die Bedingung dafür, dass man ein richtiger Christ ist. Denn ganz richtig Christ, so meinen sie, ist man nur als reborn Christian. So wird in evangelikalen Kreisen in den USA gedacht und stellen sich vor, kein Präsident kann es sich leisten, nicht reborn zu sein. Sonst würde er nicht gewählt. Auch Georg W Bush ist ein reborn Christ… Selbst Donald Trump wird von bestimmten evangelikalen Kreisen als reborn Christ immer noch angesehen, trotz seiner augenscheinlichen charakterlichen Fehler…

Ich glaube nicht, dass die Wiedergeburt, von der Jesus redet, darauf reduziert werden kann, dass man richtig entschiedener Christ ist.

Ein zweites Missverständnis, wenn heute von Wiedergeburt die Rede ist: Man kann es im buddhistischen Sinn missverstehen:

Von neuem geboren werden…

Wenn manche Menschen diesen Satz heute hören, hören sie mit einem buddhistischen Hintergrund: Wiedergeboren? Na klar, wiedergeboren werden wir nach dem Tod, immer und immer wieder. . Manche glauben auch, dass sie schon einmal gelebt haben, beispielsweise als historische Gestalten. Der Gedanke der Wiedergeburt im Sinne einer Reinkarnation ist heute eine wichtige religiöse Vorstellung nicht nur im Buddhismus. Aber Jesus meint nicht, dass man nach dem Tod wieder und wieder geboren wird, wenn er von Wiedergeburt redet.

Was Jesus mit wiedergeboren meint, hat nichts mit der buddhistischen Vorstellung des immer wieder neu wieder auf Erden Kommen müssen zu tun, aber auch nichts mit einer evangelikalen Verengung auf ein einmaliges Bekehrtwerden.

Aber was könnte Jesus mit seiner Rede von der Wiedergeburt meinen?

Nikodemus versteht die Rede von der Wiedergeburt wörtlich. Auch er unterliegt einem Missverständnis. Wiedergeburt wörtlich verstanden, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Niemand kommt als Erwachsener wieder in den Leib der Mutter und erlebt eine zweite Geburt.

Jesus versteht Wiedergeburt in einem übertragenen Sinn: Du kannst im übertragenen Sinn, geistig gesehen, wieder geboren werden und ein neuer Mensch werden.


Und ich ergänze: Ein neuer Mensch zu werden, das ist tatsächlich möglich, – zumindest ein stückweit. Aber das sollten wir immer im Blick haben: Ein Stückweit ist es tatsächlich möglich, von neuem anzufangen, ein neuer Mensch zu werden, aber nie total! Nie ganz und vollkommen. Zumindest nicht zu unseren Lebzeiten.

Wer das glaubt, jetzt schon zu Lebzeiten ein völlig anderer Mensch, ein vollkommener neuer Mensch geworden zu sein, der läuft Sektierern hinterher oder macht sich was vor.

Im Neue Testament spricht Paulus wiederholt von einem neuen Sein in Christus. Paulus schreibt z.B. im Galaterbrief:

„In der Taufe gehört ihr zu Christus.  Ihr habt Christus in der Taufe wie ein neues Kleid angezogen.“ (Gal. 3, 27),


Um in dem Bild vom Kleiderwechsel zu bleiben, muss man als Christ erst mal eines tun, bevor man Christus wie ein neues Gewand anziehen kann: Das Gewand des alten Adams
musss zuerst abgelegt werden. Und beide Kleider gleichzeitig zu tragen geht nicht.

Wir wissen es selbst von unserem Menschsein: Der alte Adam – das bisherige Menschsein – lässt sich gar nicht so leicht ablegen.

Wir wissen es selbst von unserem gelebten Christsein:
Obwohl Paulus immer wieder von einem neuen Sein in Christus spricht, also von einem neuen Leben für alle, die sich taufen lassen und zu Christus gehörig betrachten, komme ich nicht über eine nicht zu leugnende Tatsache drüber:
Auch im Leben des „frömmsten“ Christen zeigt sich der alte Adam
– nämlich das Menschlich-allzu-Menschliche –
und lässt sich nicht restlos überwinden.

Bei allem was wir als Christen tun, bleiben wir uns in unserem Adamssinn immer in einem gewissen Sinne treu. Wir sind unsere eigenen Gefangenen, kommen aus unserer alten Haut nicht heraus.

An Paulus kann man das gut beobachten: Paulus hatte eine radikale Bekehrung in seinem Leben erlebt. Aber er wiederholt als Paulus, wenn man genau hinsieht, alte Denk- und Lebensmuster des Saulus, der er einmal war.

So wie Paulus als Saulus zuerst die Anhänger Jesu mit Nachdruck bekämpft hat, so bekämpft er nach seiner Wende zu Jesus in ähnlicher Weise all die, die er als Feinde seines neuen Glaubens betrachtet.

Mit anderen Worten:
So ganz neu wird ein Mensch auch durch eine eigentliche Bekehrung nicht, selbst wenn bei Bekehrungspredigten dieser Eindruck entsteht. Es bleiben alte Denk- und Lebensmuster.

Wie auch immer das neue Leben aussieht, das wir uns erträumen, das  angebliche neue Leben, der Neuanfang, die neue Geburt ist oft genug nichts anderes als ein billiger Abklatsch der alten, bereits bekannten und realen Welt.

Menschen, die davon träumen, irgendwo anders auf der Insel der Seligen ganz neu anzufangen, bringen sich selbst und ihre eigene Lebensgeschichte mit eigenen Verstrickungen und Belastungen mit.  So wird ein Neuanfang nur unter erschwerten Bedingungen möglich sein oder gar unmöglich.

Wir können also gar nicht von neuem anfangen, geschweige denn von neuem geboren werden. Wir bringen unser Vorleben mit. Ob wir es wollen oder nicht. Neu anfangen? Schier unmöglich.

Im Grunde genommen beginnt jetzt meine wirkliche Predigt  erst an dieser Stelle: Sie will uns befreien und freimachen:


Denn die Frage muss nun heißen:
Was müsste sich denn nun wirklich ändern,
damit man von einem anderen Leben reden kann?

Was müsste sich denn nun wirklich ändern,
damit man tatsächlich von einem neuen Sein in Christus reden darf?

Ich meine:
Diese Frage ist nicht allein zum jetzigen Zeitpunkt
sondern grundsätzlich wichtig;
und deshalb will ich mich bemühen,
diese Frage zu beantworten:

Die Antwort und die Botschaft des Evangeliums in Jesus Christus lautet für mich in etwa so:


Damit du Mensch anders und befreiter und erlöster leben kannst,
musst du nicht versuchen ein anderer Mensch zu werden. Das ist ja ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit .

Damit du Mensch anders und befreiter und erlöster leben kannst,

musst du nur eines tun:

Dich mit Dir selber und mit deiner Geschichte aussöhnen.

Dazu gehört auch: Dich mit deinen Mitmenschen und mit eurer gemeinsamen Lebensgeschichte aussöhnen!

Dazu gehört auch: Dich mit Gott und euer gemeinsamen Lebensgeschichte aussöhnen!

Du darfst und kannst dich annehmen – und mit samt deinen Schattenseiten annehmen lernen (!) – , wie du bist. Denn Gott hat dich schon längst angenommen, samt deinen Schattenseiten!


Gott nimmt uns Menschen an, so wie wir sind.

Aber ich weiß:
Manches Versöhnungsgeschehen mit mir selber
ist oft schneller gesagt, als getan.
Oft gehe ich mit mir selber sehr, sehr hart ins Gericht!

Ich weiß: Sich mit den Menschen um mich herum auszusöhnen, ist auch nicht leicht. Oft sind mir die Bilder, die ich mir vom anderen gemacht habe, im Wege.

Und ich weiß: Selbst das dritte ist auch nicht leicht, sich mit Gott auszusöhnen. Oft sind mir die Bilder von Gott im Wege.

Allerdings
der Schlüssel zu einem anderen Leben
und zu einem neuen Sein in Christus,
liegt nicht darin,
dass wir uns zu ändern versuchen.

Der Schlüssel zu einem anderen Leben
liegt darin,
dass wir uns mit uns selber und mit unserer Biographie
versöhnen und uns mit dem Leben aussöhnen.

Vielleicht können wir es erst am Ende so sagen:

„ Dieses mein Leben, so wie es nun mal ist, mit all seinen hellen und dunklen Seiten ist in Gott versöhnt und aufgehoben.“

Am Ende ist alles Leben, so wie es nun einmal war mit den hellen und den finstersten Seiten in Gott versöhnt und aufgehoben.

Noch erleben wir das nur stückweise. Aber Jesus ist so etwas wie das geöffnete Fenster zu Gott. Wir können hineinschauen mitten ins Herz Gottes.

Im Blick auf unseren Bibeltext  heißt das: Wenn du dich mit Jesus beschäftigst, kannst du ein stückweit erleben, was es heißt, von neuem geboren werden. Sein Geist lässt dich aufatmen. Du darfst ein stückweit die Last deiner bisherigen Lebensgeschichte, die du dir aufgebürdet hast oder die dir aufgebürdet worden ist, zurücklassen. Du darfst von neuem geboren sein, ein neuer Mensch sein. Jetzt!

Unglaublich sagt der Nikodemus in uns. Unerhört, es kann doch nicht für alle gelten, denke ich an unheilbare Alkoholiker, Drogensüchtige, gewalttätige Menschen, oder Menschen, die sich im Hass verrannt haben.

Unglaublich! Trotzdem gilt auch dir die Freiheit: Du darfst als Mensch wie neu geboren sein, ganz neu anfangen. Du bist willkommen wie ein neugeborenes Kind. Du darfst neu anfangen und das gilt auch für dich, wenn du dich völlig ohnmächtig fühlst angesichts der vielen Defizite deines Lebens. Du darfst neu anfangen, selbst wenn sich ein riesiger Krater auftut zwischen dem, was dein Leben sein könnte und dem, was es wirklich ist.

Unglaublich, sagt der Nikodemus in mir: Ich darf neugeboren werden, ich bin im Leben willkommen trotz meiner Hoffnungen, die zerbrochen sind. Ich darf mir noch was vom Leben wünschen, trotz meiner verronnenen Lebenswünsche. Ich darf noch einmal neu anfangen, trotz meiner vertanen und verspielten Chancen, Ich darf immer wieder neu anfangen, und wenn ich morgen schon wieder versage.

Unglaublich, sagt der Nikodemus in mir. Ich darf mein Leben als Fragment verstehen, das Gott vollenden wird. Ich darf mein Leben leben als etwas, was nicht vollkommen  ist. Und Gott wird es vollenden. Und ich bin schon jetzt nicht mehr völlig gebunden an meiner Lebensgeschichte. Sie mag mich vielleicht belasten und verklagen. Aber ich darf mich jeden Tag meines Lebens neu von Jesus, von seinem Geist, ansprechen und berühren lassen.

Ja, das heißt, aus dem Geist Jesu neu geboren sein. Amen.

Von Schwuppdiwupp-Gebeten und ob`s das Beten überhaupt bringt.

Lukas 11,5-13 Beten – was bringt´s?  Rogate 9.5.2021 Trautskirchen

Liebe Gemeinde, und liebe Konfis,

ich wünschte, es wäre so einfach: Ich bete und bekomme prompt, was ich möchte. Ich bitte Gott um etwas und er wird es mir geben. Ich suche etwas, ein kurzes Stoßgebet nach oben, und schon habe ich gefunden, was ich verloren habe. Ich klopfe an bei Gott und prompt wird mir von ihm die Tür aufgetan und ein freundlicher Gott fragt mich: „Manfred, wie schön, dass du bei mir anklopfst! Was kann ich für dich tun?“

Ich stelle mir für einen kurzen Moment vor, es würde wirklich so sein, wie ich es gerade geschildert habe: Jedes Gebet von mir findet seine Erhörung. Ich bitte und bekomme prompt. Kein Gebet ist unerhört! Unerhört wäre das!

Wenn jedes Gebet von mir erhört wird, dann werde ich als Allererstes Gott um das Ende von Corona bitten: Also, Gott, ich bitte dich, mach dem Coronavirus ein Ende, das es von heute auf morgen nicht mehr da ist. Schwuppdiwupp. Kein einziger Coronakranker mehr!

Wenn jedes Gebet von mir erhört wird, dann werde ich als zweites bei jedem Kranken, der mir begegnet, ob unheilbar oder nicht, getrost und heiter Gott um Heilung bitten. Mensch, das wäre doch was! Schwuppdiwupp. Kein Kranker mehr! Ich gehe durch das Krankenhaus, und schwuppdiwupp  die Krankenbetten leeren sich kraft meines Gebetes.

Wenn jedes Gebet von mir erhört wird, werde ich Gott nicht so allgemein um Frieden in der Welt bitten: o Nein, Gott, ich bitte dich, beende jetzt sofort alle Kriege auf dieser Welt. I Schwuppdiwupp! In Syrien und Afghanistan sollen die Waffen einrosten. Schwuppdiwupp! Den Terroristen und den Waffennarren der Welt sollen ihre Waffen zu Bananen werden, wenn sie sie auch nur anfassen. Schwuppdiwupp!

Und Gott, wenn ich schon dabei bin:  Lass die Menschen in der AFD, diese Querdenker und Wutbürger einfach zu Verstand kommen. Schwuppdiwupp!

Na, das schaut doch ganz gut aus, Gott! Auf einmal haben diese Leute Verstand und gehen achtsam mit dem Leben um. Weil das so gut geklappt hat, bitte ich dich, Gott um Verstand und Weisheit für alle Politiker.  Schwuppdiwupp!  Ich bitte dich Gott für die Armen um ein Grundeinkommen, das keiner von Harz4 leben muss und lass die Reichen großzügig werden. Schwuppdiwupp! Wahnsinn, was da alles passiert, nur wenn ich bete.

Ach, dann fällt mir ein, ich kann Gott natürlich auch die Kirchen bitten. Letzten Sonntag waren so wenig Leute in der Kirche. Bitte, lieber Gott. Ab sofort wieder volle Kirchen, interessierte Gemeindeglieder, engagierte Christen und jedes Jahr solch am Glauben interessiere Konfis wie Euch. Schwuppdiwupp!

Wenn jedes Gebet von mir erhört wird,  … Ich geb´s zu, vermutlich hätte ich zuallererst lange vor all diesen Wünschen Gott um das Eine oder Andere für meine Familie und mich gebeten. Bittet, so wird euch gegeben. Warum nicht auch an sich selber und die eigene Familie denken? Also vielleicht doch auch gleich am Anfang: Lieber Gott, ich bitte Dich für den einen oder anderen in meiner Familie… Ach, was ich da Gott bitte, geht keinen sonst was an. Das ist privat.   Pause  –  Also Gott mach mal: Schwuppdiwupp!

Bittet, so wird euch gegeben. Ja, wenn das Beten so einfach wäre!  Schwuppdiwupp!

Mir ist Wolfgang Niedecken eingefallen, mit seiner Kölschen Band BAP hat er schon 1982 das Lied auf kölsch gesungen:                                     Lied kurz anspielen

Wenn et Bedde sich lohne däät

Ich trage eine Übersetzung ins Hochdeutsche vor:

„Wenn das Beten sich lohnen täte, was meinst du wohl, was ich dann beten täte. Ohne Prioritäten, einfach so wie es käme finge ich an. Nicht bei Adam und nicht bei Unendlich, trotzdem jeder und jedes käme dran. Für all das, wo der Wurm drin, für all das, was mich immer schon quält, für all das, was sich wohl niemals ändert. Klar – und auch für das, was mir gefällt. … für das Wetter und die Stunden mit dir, die zu kurz. Ich täte beten, was das Zeug hält, ich täte beten auf Teufel komm raus, ich täte beten für was ich gerade Lust hätte, doch für nichts, wo mir wer sagt: „Du mußt! …

Ich täte beten für Sand im Getriebe, und jede Klofrau bekäme Riesenapplaus. … Täte die Rubel bremsen, die rollen, Kronjuwelen verbannen auf den Schrott, ließe alle Grenzen und Schranken verschwinden, jeden Speer, jedes Gewehr, jedes Schafott.

Vielleicht beneide ich auch die glauben können, doch was soll das, ich jage doch kein Phantom. Gott, wäre Beten bloß nicht so sinnlos…“

BAP steht stellvertretend für so viele Menschen, die sich ernsthaft fragen:  Na, ob sich das Beten wirklich lohnt? Sehr viele Menschen stehen dem Glauben distanziert gegenüber. Für sie ist Beten logischerweise auch eine etwas fragwürdige Angelegenheit: „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ob Beten sich wirklich lohnt? Beten bringt´s das?““ Mit dieser Haltung steht BAP nicht allein. Und der Sänger Wolfgang Niedecken hält sich das Beten als Möglichkeit ja noch offen. Vielleicht, singt er, kommen wir ja mal zu dem Punkt, wo Beten sich vielleicht doch lohnen „dät“.

Andere Menschen beten gerne und viel. Und sind auch fest davon überzeugt: Beten bringt´s. Beten bewirkt etwas. Wenn wir am Ende sind mit unserem Latein und unserer Weisheit, dann, sagen sie, können wir nur noch beten.

Ich gestehe, ich bin skeptisch, wenn ich diesen Satz höre:  Da hilft nur beten! Nicht in dem Sinn: Ich möchte etwas. Bitte Gott. Er schweigt. Ich bete wieder und wieder und dann mit Verstärkung mit anderen. Und gemeinsam bringen wir Gott dazu, unser Gebet zu erfüllen. So möchte ich Beten nicht verstehen. Wir können schon Gott ernsthaft bitten, auch miteinander. Aber wenn Gott unser Gebet nicht erhört, ist es gut. Geben wir vor allem dem anderen nicht die Schuld: Du hast halt nicht ernsthaft gebetet oder nicht genug gebetet. Irgendwann ist Schluss mit dem Beten. Und ich muss es akzeptieren, wie es ist. Irgendwann muss ich Amen sagen: So sei es nun. Amen.

Bittet, so wird euch gegeben! Ich merke, auf diesen Satz reagiere ich selbst zwiespältig. Ich glaube es ja tatsächlich. Beten lohnt sich. Ich glaube es ja tatsächlich: Da ist ja wirklich jemand da, der mein Gebet hört. Aber dieser jemand erhört in den seltensten Fällen mein Gebet und schon gar nicht sofort.

Bittet, so wird euch gegeben! Vor diesem Satz schrecke ich zurück. Klingt nach: Gebet und Schwuppdiwupp!

Manchmal habe ich Gebet als so eine Art Schwuppdiwupp-Gebet verstanden. Manchmal habe ich so schwuppdiwupp-mäßig gebetet. Manchmal habe ich, wie es BAP im Lied formuliert hat, auch „auf Teufel komm heraus“ gebetet. Aber gerade denn, wenn ich was mit dem Gebet schwuppdiwupp-mäßig erzwingen wollte, habe ich es oft genug erlebt: Schwuppdiwupp  – Ätschibätsch! Gott läßt sich nicht nach meinen Wünschen und Vorstellungen verbiegen.

Gott sei Dank! Gott steht uns für Schwuppdiwupp -Gebete nicht zur Verfügung. Er greift nicht ein, nur weil ich so gerne hätte.

So  höre ich bei diesen Satz Jesu immer einen Nachsatz mit: „oder auch nicht“:

Bittet Gott, und er wird euch geben, oder auch nicht mit! Sucht, und ihr werdet finden, oder auch nicht. Klopft an, dann wird euch die Tür geöffnet.  Oder auch nicht!

Ja, ich weiß, Jesus will uns mit diesem Satz Mut machen zum Gebet: Traut Euch zu Gott zu kommen mit eurem Gebet. Gott hört euer Gebet und Beten bewirkt etwas bei Gott!

Ich selber kann es momentan glauben: Im Beten steckt auch heute eine Kraft, die etwas bewegen kann. Eine Kraft, die etwas verändern kann. Eine Kraft, die in unserem Leben das, was in uns zerbrochen ist, wieder heilen kann. Achtsames Beten hilft uns, auf Gottes Wirken in unserem Leben zu achten. Beten weckt in uns Kräfte, gerade dann, wenn wir am Ende unserer Möglichkeiten sind.

Aber das können wir nicht herbeizaubern. Schwuppdiwupp! Es ist auch durch noch so ausgefeilte Gebetsübungen nicht herzustellen.  Wir haben es nicht in der Hand, ob und wie Gott auf unsere Gebete antwortet. Ob das Beten was bringt, hängt nicht von uns ab.

Wenn wir Menschen  zu Gott beten,  erfahren wir beides: Dass Gott mein Gebet erhört oder auch das andere: Dass er mein Gebet anscheinend nicht erhört.

Ihr kennt vielleicht auch solche Erfahrungen mit Gebet:   Ich bitte und merke beim Bitten, dass es nicht ins Leere geht. Ich bete und ich spüre dabei Gottes Nähe, die mich trägt, die mir die Kraft gibt, etwas durchzustehen, noch während ich nach einem Weg suche. Viele von uns kennen solche intensiven Gebetserfahrungen. Ich bete und merke, da geht eine Tür auf, da tut sich etwas. Mein Gebet wird erhört. Da steckt Kraft drin, Power. Da geschieht was!

Aber bestimmt kennt ihr auch diese anderen Erfahrungen mit dem Gebet:  Ich bitte und bete und spüre nur Leere und Bodenlosigkeit. Ich kann nicht mehr bitten. Ich höre nur ständig die Fragen in mir laut werden: Wie kann das Schreckliche nur geschehen? An Corona sterben mit 32? Oder wie können sich Menschen dies alles antun? Gewalt, Hass, bis Mord und Totschlag bis hin zum Holocaust. Wie kannst Du Gott das zulassen?  Mein Gott, wo bist du überhaupt? Und ich bete und merke, die Tür bleibt verschlossen. Ich renne gegen eine Tür an und sie bleibt verschlossen.

Es sind gegensätzlichen Erfahrungen, die wir im Leben auf ganz unterschiedliche Weise machen. Ich möchte als Christ beides sagen, möchte beides tun können:

a) Ich möchte das Beten nicht aufgeben. Ich spüre ein unendliches Gottvertrauen, eine unglaubliche Gelassenheit, in  die mich Jesus hineinnimmt, wenn er sagt, „Bittet, so wird euch gegeben!“   Ich möchte dieses schlichte Gottvertrauen immer wieder neu spüren, wenn ich Gott um etwas bitte. „Euer Vater im Himmel weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr es im Gebet aussprecht!“ Beten lohnt sich. Selbst wenn es anders kommt als gedacht.

b) Aber gleichzeitig möchte ich die Dunkelheiten in meinem Leben nicht verschweigen, in denen ich nicht mehr bitten kann, nur noch klagen oder schweigen; wo mir jede Bitte leer erscheint, kraftlos, ohnmächtig. Es gibt doch solche Zeiten im Glaubensleben vieler Christen und anderer religiöser Menschen, wo wir nur noch eines hoffen können:  dass Gott da ist, auch wenn wir ihn nicht spüren in unserem Schreien, Klagen und  Verstummen.  Und diese Zeiten gehören genauso zu den Glaubenserfahrungen, in denen ich durch das Gebet Kraft und Mut schöpfe und sich tatsächlich in mir etwas zum Guten verändert.

Es gibt eben auch das Schweigen Gottes.  Manchmal schweigt Gott. Am Kreuz hat Jesus dieses Schweigen Gottes aushalten müssen: „Mein Gott, warum!“ Da hat Gott geschwiegen!

Jesus kennt also auch die andere Seite des Gebetes. Deshalb würden wir seine Geschichte vom bittenden Freund gründlich falsch verstehen: Wenn du Gott genug nervst, wird Gott deine Wünsche so erfüllen, wie du dir das wünscht. So nicht. Das wird auch am Ende klar.

Am Ende sagt Jesus etwas, was wir gewöhnlich übersehen, überhören, überlesen: Gott gibt uns im Gebet nicht Kraft, Mut, nicht Heil oder das, was wir uns wünschen. Gott gibt uns            seinen Geist.

„Wie viel mehr wird der Vater im Himmel

den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten.«

Wenn wir beten, wird er uns seinen Geist geben. Sein Geist wird uns helfen, einen Weg zu finden. Sein Geist wird uns zeigen, wo unser Beten Sinn macht und wo es besser ist zu schweigen.. Und wenn wir selber nicht mehr beten können aus lauter Verzweiflung, wird sein Geist für uns beten.

Amen.

Wenn Steine schreien…

Kantate 2.5.21  Trautskirchen    Wenn Steine schreien  Luk 19,37-40

Liebe Gemeinde!

 “Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien!” Diesen Satz sagte Jesus  im Evangelium für den Sonntag Kantate. Nie war uns dieser Satz näher als heute. Einen größeren Gegensatz kann man sich nicht denken.

Auf der einen Seite das fröhliche Gotteslob und die Ermutigung: Kantate! Singt! Singt aus vollem Herzen! Singt laut! Macht dabei den Mund auf und singt aus voller Kehle!

Auf der anderen Seite: Das ist uns verboten! Wenn ihr Gottesdienst feiert, dürft ihr  dabei nicht singen. Nur die Organistin, Frau Stigler darf singen. Alle anderen schweigen. Schon Wochen vor Weihnachten geht das so. Es darf längst wieder Gottesdienst gefeiert werden. Aber zu welchen Auflagen und Bedingungen? Singen verboten! Gott sei es geklagt! Nicht nur, dass wir nicht singen dürfen!

Aber hören wir uns zunächst den biblischen Text aus dem Lukasevangelium an: Luk 19

37 So kam Jesus zu der Stelle,

wo der Weg vom Ölberg nach Jerusalem hinabführt.

Da brach die ganze Schar der Jüngerinnen und Jünger

in lauten Jubel aus.

Sie lobten Gott für all die Wunder, die sie miterlebt hatten.

38 Sie riefen:

»Gesegnet ist der König, der im Namen des Herrn kommt!

Friede herrscht im Himmel

und Herrlichkeit erfüllt die Himmelshöhe!«

39 Es waren auch einige Pharisäer unter der Volksmenge.

Die riefen ihm zu: »Lehrer, bring doch deine Jünger zur Vernunft!«

40 Jesus antwortete ihnen: »Das sage ich euch:

Wenn sie schweigen, dann werden die Steine schreien!«

„Wenn sie schweigen, dann werden die Steine schreien!“

Können Steine schreien?

Vielleicht hatte Jesus den Propheten Habakuk im Sinn.  In seinen Wehe-Rufen verkündet der Prophet Habakuk (Hab 2,11): „Denn auch die Steine in der Mauer werden schreien, und die Sparren am Gebälk werden ihnen antworten.“

Es ist kein Zufall: Unmittelbar im Anschluss dieser Bemerkung Jesu:  „Wenn sie schweigen, dann werden die Steine schreien!“ berichtet Lukas, wie Jesus über Jerusalem weint:

41 Als Jesus sich der Stadt näherte und sie vor sich liegen sah, weinte er über sie:

42 »Wenn doch auch du heute erkannt hättest, was dir Frieden bringt!

Aber jetzt ist es vor deinen Augen verborgen.

43 Denn es wird eine schlimme Zeit über dich herein-brechen:

Deine Feinde werden einen Wall aus spitzen Pfählen

rings um dich errichten.

Sie werden dich umzingeln und von allen Seiten einschließen.

44 Dich und deine Bewohner werden sie restlos vernichten.

Keinen Stein werden sie auf dem anderen lassen –

weil du den Tag nicht erkannt hast,

an dem Gott dir zu Hilfe gekommen ist.«

Steine schreien, weil sie ineinander krachen. Steine schreien, wenn Häuser und Städte in Trümmer fallen. Jesus ahnte, dass diese wunderschöne Stadt Jerusalem in ein paar Jahrzehnten dem Erdboden gleich gemacht wird. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Kein Gebäude wird verschont werden. Auch der Tempel wird zerstört werden, bis am Ende für die jüdischen Menschen nur die Klagemauer übrigbleibt.

Solche schreiende Steine kennen auch wir in unserer Geschichte: die schreienden Steine der deutschen Städte , die durch Bomben dem Erdboden gleich gemacht haben; die schreienden Steine von Ruinen, auch Kirchenruinen, die Dresdner Frauenkirche etwa.  Schreiende Steine sind aber auch Stolpersteine, die uns in denselben Städten an Namen von jüdischen Menschen erinnern, die einmal in diesen Häusern gewohnt haben und zur Vergasung in Viehwaggons abtransportiert wurden. Schreiende Steine gibt es auch in unserem eigenen Leben.                    Gott sei es geklagt!

„Wenn sie schweigen, dann werden die Steine schreien!“ Auch aus dem biblischen Gesamtzusammenhang wird deutlich, dass die Steine, wenn sie anfangen zu schreien, eher klagen und aufschreien als jubeln. Nicht bald darauf werden sie den, der andere vor der Steinigung bewahrt hat, ans Kreuz nageln. Bald wird Jesus das Leid der Welt, das Unrecht am eigenen Leib spüren. Und er wird verzweifelt seinem Gott klagen, warum er ihn verlassen hat. Gott sei es geklagt!

Und heute?

In Indien kämpfen die Krankenhäuser um das Überleben ihrer Patienten. In Brasilien, Niederlanden, Polen auch. Und bei uns kämpfen auch Menschen tagtäglich auf den Intensivstationen ums Überleben. Gott sei’s geklagt.

Im Mittelmeer ertrinken afrikanische Menschen. Bei uns geraten immer mehr Menschen unverschuldet in Schulden. Gott sei’s geklagt.

So beklagen die Steine, die Jesus im Blick hat, zunächst all die Trümmerhaufen, Scherbenhaufen, das Elend der Welt. Steine klagen, wenn sie schreien.

Vielen Menschen geht es genauso. Es ist ihnen zum Schreien. Sie wollen Gott nicht immer nur loben, sie wollen berechtigterweise auch ihre Klagen hervorbringen. Und Jesus verbietet das nicht. Wir dürfen auch als gläubige Menschen Krankheiten herausschreien, Enttäuschungen herausschreien, Fehler und Sünden herausschreien, Mühsal und Überforderung herausschreien. AHHH!

Wer schreit, der gibt Gott nicht auf: Gott, ich klage dir mein Leid. Hast du mir nicht was ganz anderes versprochen! Ich nehme dich beim Wort. Ich nehme dich ernst. So klage ich dir mein Leid und klage dir die Ohren voll. Du hälst es aus. Du hälst mich aus!

Manchmal leiden Menschen leiden unter unheilbaren Krankheiten, die so schwer sind, dass sie die Leidenden zum Verstummen bringen. Dann fangen die Steine an zu schreien. Die Steine treten  schreiend an die Stelle der verstummten, am Leid erstickenden Menschen.

„Die Klage erdet das Gotteslob, weil die eigene Not, die Not anderer und die Not der Mitwelt nicht verschwiegen werden müssen“ Michala Will hat das geschrieben. Ich kenne diese Frau nicht. Aber ich kenne die Tiefe ihrer Aussage: Gotteslob muss geerdet sein und die Klage erdet das Gotteslob.

Klage ist ein wichtiger Bestandteil des Gotteslobes. In guten Zeiten Gott danken und dankbar sein ist schon eine Kunst. Erst recht in schlechten Zeiten sich trotzdem an Gott wenden und den Halt bei ihm suchen.

Steine können auch jubeln und vor Freude hüpfen. Wenn wir es nicht tun, dann tun es die Steine vor Glück.

„Wenn sie schweigen, dann werden die Steine schreien!“

Jesus sagt diesen Satz zum Abschluss einer Szene, in der die Jünger vor lauter Jubel anfangen, herumzuschreien, und Hände hochzureißen, zu jubeln mit klatschenden Händen. Mir ist eines aufgefallen:  Lukas hat beim Einzug Jesu nach Jerusalem die jubelnden Jünger und Jüngerinnen im Blick. Die anderen Evangelisten betonen das nicht so sehr. Da ist es mehr allgemein das jubelnde Volk. Bei Lukas speziell die Jünger Jesu. Sie fangen plötzlich an zu jubeln und sich zu freuen.

Sie stehen nach einem langen Aufstieg am Ölberg und haben die volle Sicht auf Jerusalem. Sie jubeln sicher einer großen Erwartung heraus: Jetzt ist es so weit. Bald wird unser Messias die Macht antreten. Wir wissen, dass es anders geschehen ist.

Die Jünger und Jüngerinnen Jesu jubeln auch, weil ihnen in einer Rückschau plötzlich einfällt, was sie alles mit Jesus erlebt haben, als sie mit ihm unterwegs waren: so viele Heilungen, Befreiungsgeschichten, auch Wunder des Lebens:  wie Jesus eine gekrümmte Frau wieder aufrichtet. Wie Jesus Blinde geheilt, wie er 10 Aussätzige gesund gemacht hat (und nur einer ihm gedankt hat). Selbst totgeglaubte Menschen, wie den jungen Mann in Nain oder die Tochter des Jairus hat er zum Leben verholfen.

Wir kennen diese Geschichten, die diese Jünger mit Jesus erlebt haben, nur vom Hörensagen oder vom Bibellesen. Ich kann mir vorstellen, wenn uns das passiert wäre, wir hätten Blinde wiedersehend gesehen, Lahme wieder laufen sehen, sogar dem Tod geweihte Menschen wieder leben sehen, wir wären genauso ausgeflippt wie diese Jünger.  Halleluja!

Naja vielleicht nicht ganz so ausgeflippt. Als Franken hätte wir vielleicht anerkennenend, Basd scho! Gesagt. Unsere Art des Ausgeflipptseins.

Wunder des Lebens erfahren wir auch heute: Ist es nicht ein Wunder: Wir sind von Corona weitgehend verschont geblieben oder nicht daran gestorben. Wir erleben nicht nur in Corona-Zeiten Momente der glücklichen Bewahrung und Fügungen, Zeiten des Glückes. Wunder des Lebens sind unsere Kinder, unsere Mitmenschen an der Seite und überhaupt, das Leben kann so schön sein auch trotz Corona. Basd scho!

Die Jünger Jesu waren auch nicht dauern im Ausflippen und Halleluja-Singen. Aber der eine Moment hat sie gepackt. Da konnten sie nicht anders, als jubeln, Halleluja singen und Gott loben.

Die Pharisäer, Vertreter einer erstarrten Religiosität, wollten dieses ungehemmte, ausgelassene Gotteslob verbieten.

Die riefen ihm zu: »Lehrer, bring doch deine Jünger zur Vernunft!« 40 Jesus antwortete ihnen: »Das sage ich euch:

Wenn sie schweigen, dann werden die Steine schreien!«

                                                                                                                                                                   Ja. Auch Steine können zum Jubel schreien. Wenn ihr Jünger und Jüngerinnen den Mund nicht aufmacht, werden die Steine jubeln.

Heute: Überall, wo sich Menschen engagieren, auch in den Kirchengemeinden halten viele Ehrenamtliche Kontakt zu Menschen, um der Vereinsamung entgegenzutreten. Gott sei Dank!

 Impfstoffe sind da, inzwischen mehr als genug und wir können geimpft werden oder sind schon geimpft. Gott sei Dank!

Ein Benediktinermönch von Münsterschwarzach ist bereit, für Kirchenasyl Bestrafung auf sich zu nehmen. Gott sei Dank!

Immer mehr junge Menschen engagieren sich im Klimaschutz, in politischer Arbeit, geben Kindern Nachhilfe und gute Begleitung, damit die nicht in den Zeiten der Pandemie den Anschluss verlieren. Gott sei Dank!

Und wenn nicht wir Menschen Gott sei Dank! sagen, dann tun es die umherliegende Steine für uns.

Gott wird immer gelobt, dauernd, nachhaltig, ohne Unterbrechung. Die  ganze Schöpfung  lobt Gott, dafür dass sie da ist. Wir gläubigen Menschen loben Gott für sein Tun und Wirken in unserer Welt. Sogar die Menschen, die Gott nicht kennen, loben Gott, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind: die schreienden Babies loben Gott, die kleinen Kinder, die am Strand singend ins Wasser hüpfen, loben Gott und auch die seufzenden, klagenden, dankbaren und lebenslustigen Menschen loben Gott auf ihre Art.  Und nicht zu vergessen: Es ist auch möglich, durch die FFP-2 Maske hindurch Gott zu loben, zu beten,  für Gott und in Gottes Namen zu schreien.

Und wenn wir nicht laut loben können, tun es die Steine. Auch die Steine dieser Kirche hier. Sie fangen an zu reden, zu singen, zu loben.

Der Taufstein dort drüben fängt an zu sprechen:  So viele haben ihre Kinder zu mir gebracht, ihre Kinder über mich gehalten und ich spüre den Segen Gottes, der über diese Kinder gesprochen wurde. Ich hoffe, dass wieder Kinder zu mir zur Taufe gebracht werden!

Der Altarstein hinter mir fängt an zu sprechen: Mich könnt ihr nicht verrücken. Ich bin groß und schwer wie der Grundstein, der mit Christus unverrückbar gelegt ist. Vieles wird sich in der Kirche ändern, der Grundstein steht!

Und der Eckstein im Gewölbe fängt an zu wispern: Seht doch, wie alles auf Christus zuläuft und er den Glauben von ganzen Kirchen wie das Gewölbe zusammenhält.

Und die vielen, vielen Steine im Gemäuer dieser Kirche höre ich wispern: Wir sind verbaut, viele von uns kann man nicht sehen, wir sind verbunden mit euren Vorfahren, die diese Kirche gebaut haben. Und ihr könnt lebendige Steine sein, eingebaut in unserer Kirche.

Der Stein, den ich in der Hand halte, spricht auch zu mir, wenn ich ihn länger in der Hand halte. Was spricht, singt, schreit dieser Stein in meiner Hand?

Erinnere ich dich an eine Last, die du dauernd mit dir herumschleppst. Du musst sie nicht dauernd herumschleppen. Lege sie mit mir in dieser Kirche ab. Gott sei es geklagt!

Erinnere ich dich an einen unscheinbaren Stein? Jeder Stein ist etwas ganz Besonderes. Auch du bist in Gottes Augen etwas Besonderes. Du bist ein Wunder und alles Leben um dich herum ist ein Wunder. Gott sei Dank!

Erinnere ich dich an ein wunderschönes Erlebnis. Ein Stein aus den Bergen, ein Stein aus dem Meer oder sonst etwas, das dich richtig mit Freude erfüllt: Gott sei Dank!

Die Steine von Kirchen, Synagogen und Moscheen fangen an zu schreien, wenn wir unseren Mund wegen Corona nicht aufmachen können, entweder weil uns das Singen verboten ist und weil es uns vergangen ist.  Auch andere Steine fangen an zu schreien, wenn wir verstummen.

Gott kann in so vielen Gestalten gelobt werden. Im Flüstern, im Sprechen, im gemeinsamen Beten, im vielstimmigen Chor. Im Schrei der Klage ebenso wie im Jubel über die Schönheit der Welt. Im Schweigen oder im stummen Verweis auf die Steine, die Lob und Klage übernehmen, wenn aus welchen Gründen auch immer die Worte fehlen.

Wenn Steine all das tun können, Gott all das Leid klagen und gleichzeitig all das Wunderbare, Wunderschöne Gott danken, wenn Steine das tun können, können wir das auch: Gott sei Dank!

Unbequeme Wahrheiten, die keiner hören mag

Apostelgeschichte 17,22-34    25.4.21  Predigt Trautskirchen

„Solange ich den Menschen nach dem Mund reden, werden sie mir zustimmen, nicken, auf Facebook „Gefällt mir“ klicken und mich bestätigen, was für feiner Mann ich doch sei. Aber wehe, wenn ich ihnen widerspreche. Wehe, wenn ich eine unbequeme Wahrheit sage.“

Diese Erfahrung macht Paulus auf dem Marktplatz in Athen.

 Dabei geht er zunächst klug vor. Er geht durch die Straßen Athens, schaut sich die verschiedensten Statuen und Tempel der verschiedensten Götter an und findet sogar einen Altar, an den er anknüpfen kann. „Dem unbekannten Gott“ geweiht stand da auf diesem Altar. Alle möglichen Götter werden verehrt und sicherheitshalber auch ein unbekannter Gott, damit keiner der Götter beleidigt ist.

„Ihr Bürger von Athen! Nach allem, was ich sehe, seid ihr sehr fromme Leute. Ich bin durch die Stadt gegangen und habe mir eure heiligen Stätten angeschaut. Dabei habe ich auch einen Altar gefunden, auf dem stand: ›Für einen unbekannten Gott‹. Das, was ihr da verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch. Es ist der Gott, der die Welt geschaffen hat und alles, was in ihr ist.“

Die Athener sind eifrige Gottesverehrer, immer auf der Suche nach neuen Göttern. Daher kommt Paulus ihnen gerade recht.  Der redete auf den Straßen dauernd von einem Jesus und seiner Anastasia.

„Was für einen neuartigen Gott hast du? Wen oder was verehrst du? Du sagst, du willst uns die gute Nachricht von Jesus und seiner Anastasia erzählen? Erzähl mal.“

Und Paulus fängt zu erzählen:

Nun er „ist der Herr über Himmel und Erde. Er wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand errichtet wurden. Er ist auch nicht darauf angewiesen, von Menschen versorgt zu werden.  Er ist es doch, der uns allen das Leben, den Atem und alles andere schenkt.“

Hm, dieser Jesus und seine Anastasia macht sie neugierig. Ja, diese Götter machen sie schon neugierig. Ihre Götter leben in Tempel. Sie sind darauf angewiesen, von den Menschen verehrt und mit Trankopfer oder Speiseopfer versorgt zu werden. Die Menschen sind dazu da, diese Götter zu verehren und ihnen zu dienen. Und sie tun es, allein schon, um sie zu besänftigen und milde zu stimmen. Es könnte ja sein, dass sie ein oder zwei von den vielen Götter vergessen haben und diese deshalb sauer sind. Also hören sie genau zu, was Paulus ihnen über diesen ihnen unbekannten Gott erzählen möchte.

„Er hat aus einem einzigen Menschen die ganze Menschheit hervorgehen lassen, damit sie die Erde bewohnt. Für jedes Volk hat er festgesetzt, wie lange es bestehen und in welchen Grenzen es leben soll. Er wollte, dass die Menschen nach ihm suchen – ob sie ihn vielleicht spüren oder entdecken können. Denn keinem von uns ist er fern. Durch ihn leben wir doch, bewegen wir uns und haben wir unser Dasein. Oder wie es einige eurer Dichter gesagt haben: ›Wir sind sogar von seiner Art.“

Ich sehe wie die Menschen nicken. Das gefällt ihnen: Keinem von uns ist dieser Gott fern. Durch ihn leben, bewegen und sind wir. Klingt gut, klingt sogar philosophisch  und dann zitiert ja Paulus auch noch einen ihrer damals bekannten Dichter: „Wir sind sogar von seiner Art.“

Gefällt mir. Wir sind göttlichen Geschlechts. Wir Menschen sind göttlicher Herkunft.

Paulus hatte sich vorher mit Philosophen unterhalten, mit Stoikern und Epikureern. Gestritten haben sie sogar miteinander. Stoiker und Epikureer  haben über sein Reden verächtlich gesagt: „Was für ein Schwätzer“.

Jetzt hören sie zu. Die Stoiker werden ihm darin zugestimmt haben:

„Keinem von uns ist dieser Gott fern. Durch ihn leben, bewegen und sind wir. „Das ist sogar hochphilosophisch  und dann zitiert ja Paulus auch noch einen ihrer damals bekannten Dichter Aratos, einem Stoiker:

„Zeus sei unser Beginn, und niemals bleib‘ er uns Männern

Ungelobt. Voll wahrlich des Zeus sind alle des Wandels

Weg, und alle Versammlung der Welt, voll jegliche Meerflut,

Jeglicher Port. Ringsum ja des Zeus bedürfen wir alle

seines Geschlechts auch sind wir.“

(Aratos)

Vor allem die Stoiker werden begeistert sein: Er zitiert unseren Starphilosophen Aratos.  Ja, das sagen wir doch auch. Es gibt ein göttliches Prinzip, das den ganzen Kosmos durchwirkt.  Und ob man Zeus dazu sagt, oder einen anderen Gott, das ist eigentlich wurscht. Wir kennen die Stoiker von der „stoischen Ruhe“. Nur nicht aufregen, immer seine Gefühle unter Kontrolle halten, frei von Leidenschaften sein, selbstgenügsam und durch nichts sich erschüttern lassen, auch durch den Tod nicht. Das ist ihre stoische Lebensdevise.

Und die Epikurerer gehen davon aus, dass es tatsächlich Götter gibt. Sie führen eine selige, sorglose Existenz und kümmern sich nicht um die Menschenschicksale .  Für Epikureer ist der Tod unvermeidlich und bedeutungslos. Alles Streben nach Glück beschränkt sich für sie deshalb auf das endliche Leben. Überwinde deine Furcht, deinen Schmerz und deine Begierden und du wirst dich des Lebens freuen können.

Worin sich Stoiker und Epikureer einig sind: Diese Götterverehrung, diese Unmengen von Statuen und Tempel, braucht es eigentlich nicht. Das ist was für das einfache Volk, die sich damit trösten. Wir Philosophen wissen, dass Götter nur Symbole sind. Wir stehen über der Götterverehrung. Aber wenn das Volk will, lass es die Götter verehren. Und deshalb werden sie diesen Worten des Paulus zugestimmt haben:

„Weil wir Menschen also von Gottes Art sind, dürfen wir uns nicht täuschen: Die Gottheit gleicht keineswegs irgendwelchen Bildern aus Gold, Silber oder Stein. Die sind nur das Ergebnis menschlichen Könnens und menschlicher Vorstellungskraft.“

Erzähl uns mehr von Deinem Philosophengott und seiner Anastasia!

„Nun – Gott sieht nachsichtig über die Zeiten hinweg, in denen die Menschen ihn nicht gekannt haben. Aber jetzt fordert er alle Menschen an allen Orten auf, ihr Leben zu ändern. Denn Gott hat einen Tag festgesetzt, um über die ganze Welt zu richten. Dann wird er Gerechtigkeit walten lassen – durch den Mann, den er dazu bestimmt hat. Dass dieser Mann wirklich dafür bestimmt ist, hat Gott allen Menschen durch dessen Anastasia/ Auferstehung  von den Toten bewiesen.“

Jetzt wird den an dem unbekannten Gott von Paulus interessierten Athenern plötzlich eines klar:

Der meint einen bestimmten Menschen, Jesus  oder so ähnlich, der tot war und den „Gott“ wieder lebendig gemacht hat. Anastasia ist nicht seine göttliche Frau. Dieser Paulus redet doch tatsächlich von der Auferstehung von den Toten. Da ist einer tot gewesen, wird von diesem unbekannten Gott auferweckt und soll auch noch das letzte Wort über die ganze Welt haben!

Lachhaft! Lächerlich! Spinnert!

Philosophen wie die Epikureer und die Stoiker beschäftigen sich mit Fragen der Lebensbewältigung. Wie können wir Menschen stoisch Leid und Tod geduldig ertragen? Oder die Epikureer: Wie können wir das Leben genießen und Lebensglück finden, ohne im Übermaß an Genuss und Leid zu ersticken? Philosoph ist jemand, der ein Freund der Weisheit ist. Weise und klug und achtsam das Leben bewältigen.

Aber keiner der Philosophen beschäftigt sich mit dem, was nach dem Tode kommt. Keiner.  Die Philosophen wissen keine Antwort darauf, was danach kommt. Und jede Vorstellung einer Anastasia, einer Auferstehung ist für sie lachhaft, spinnert.

Ich sagte eingangs: Solange Paulus den Menschen nach dem Mund reden, werden sie ihm zustimmen, nicken, auf Facebook „Gefällt mir“ klicken und ihn bestätigen, was für feiner Mann er doch sei. Aber wehe, wenn er eine unbequeme Wahrheit sagt.

Die unbequeme Wahrheit ist: Nach dem Tod geht es weiter. Du täuscht dich gewaltig, wenn du glaubst, nach dem Tod ist alles aus und es ist egal wie du dein Leben gelebt hast.

Die Auferstehung Jesu ist dabei durchaus etwas Rebellisches: Den, den die Welt ins Unrecht gesetzt hat, setzt Gott ins Recht. Du bist mit ihm rechnen nach deinem Tod. Alle Welt muss mit ihm rechnen.

Die unbequeme Wahrheit ist: Nach dem Tod hat einer das letzte Wort über mein Leben. Jesus. An ihm misst Gott dein und mein Leben.

Es ist der Jesus, der sich für die Schwachen und Armen einsetzt, der ein Herz für das einfache Volk hat und sich nicht über sie arrogant überhebt, weil sie nicht anders können, als irgendwelche Statuen und Tempel zu verehren und an Amulette und an sonstigen Aberglauben  glauben.

Die unbequeme Wahrheit ist:  Da ist tatsächlich ein Gott, der sich uns Menschen interessiert. Ganz anders als diese griechischen Götter, denen das Schicksal der Menschen wurscht ist in ihrer griechischen Götterseligkeit.  Unbequem ist diese Wahrheit deswegen, weil unser Leben von ihm hinterfragt wird.

Die unbequeme Wahrheit ist:  Da ist ein Gott, der sich tatsächlich für alle Menschen interessiert, keinem von uns Menschen ist dieser Gott fern. Wir sind göttlicher Herkunft. Aber das heißt,  dieser Gott ist nicht nur dem philosophisch gebildeten Menschen nahe. Auch der arme, ungebildete Mensch . Und göttlicher Herkunft sind alle Menschen. Heute sagen wir: Jeder Mensch hat eine Würde, jeder, der Flüchtling genauso wie  der Normalbürger und der Neonazi genauso wie der Querdenker. Und jeder davon wird von Gott gefragt, wie achtest du die Würde des anderen? Wie lebst du die Nächstenliebe?

Und Gott wird uns fragen: Wie gehst du mit der Würde deines Mitmenschen um? Du bist auch nichts Besseres oder Schlechteres als dein Mitmensch nebenan.

Als sie hörten, dass Paulus von der Auferstehung sprach, begannen die einen zu spotten, die anderen „Wir wollen dich ein andermal weiterhören.“ So kann es laufen, wenn man unbequeme Wahrheiten nicht hören mag.

Eine ähnliche Rede wie Paulus hielt neulich ein Polizist ,Thomas Lebkücher ,vor Corona-Demonstranten in Worms.  Und ähnlich wie Paulus scheut er nicht, unbequeme Wahrheit zu sagen:

Am vergangenen Wochenende diskutierte er mit Mundschutz mit Corona-Demonstranten ohne Mundschutz. Um diese auf die Einhaltung der geltenden Hygienevorschriften aufmerksam zu machen, zitierte er aus der Bibel und verweist auf Jesus. „Sie haben ein Recht zu demonstrieren, andere haben ein Recht auf Leben“, erklärte er.  Außerdem bat er die anscheinend christlich motivierte Gruppe, an das christliche Gebot der Nächstenliebe zu denken.

Ein Mann trug mit Absicht keinen Mundschutz und frage ihn provozierend:

Würde Jesus heute auch einen Mund-Nasen-Schutz tragen und eine Corona-Impfung empfehlen“. Da antwortete der Polizist: „Der würde sagen: Betet so, dass ihr keinem anderen schadet.“ Jesus habe im Garten Gethsemane bei seiner eigenen Verhaftung einem Soldaten das Ohr wieder geheilt, das sein Jünger Petrus diesem abgeschlagen hatte.

„Weil er davon geprägt war, den Nächsten mehr zu lieben als sich selbst. Das ist das fundamentale Gebot, und wenn wir uns alle daranhalten, haben wir kein Problem“, sagte der Beamte.

Ich wünsche uns auch diesen Mut, unbequeme Wahrheiten zu sagen. Amen

Wie wir angesichts leerer Netze nicht den Mut verlieren

11.4.21  Joh 21,1-14   Drei österliche Mutmachergeschichten in einem

Joh 21 1Später zeigte sich Jesus seinen Jüngern noch einmal. Das war am See von Tiberias und geschah so: 2Es waren dort beieinander: Simon Petrus, Thomas, der Didymus genannt wird, Natanael aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei weitere Jünger. 3 Simon Petrus sagte zu den anderen: »Ich gehe fischen! «Sie antworteten: »Wir kommen mit. «Sie gingen zum See und stiegen ins Boot. Aber in jener Nacht fingen sie nichts.

4Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Die Jünger wussten aber nicht, dass es Jesus war. 5Jesus fragte sie: »Meine Kinder, habt ihr nicht etwas Fisch zu essen? «Sie antworteten: »Nein!«6 Da sagte er zu ihnen: »Werft das Netz an der rechten Bootsseite aus. Dann werdet ihr etwas fangen!« Sie warfen das Netz aus. Aber dann konnten sie es nicht wieder einholen, so voll war es mit Fischen.7 Der Jünger, den Jesus besonders liebte, sagte zu Petrus: »Es ist der Herr!« Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war ,zog er sich seinen Mantel über und band ihn hoch. Er war nämlich nackt. Dann warf er sich ins Wasser.8Die anderen Jünger folgten im Boot und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Sie waren nicht mehr weit vom Ufer entfernt, nur etwa 100 Meter.9Als sie an Land kamen, sahen sie dort ein Kohlenfeuer brennen. Darauf brieten Fische, und Brot lag dabei.10Jesus sagte zu ihnen: »Bringt ein paar von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt.«11Da stieg Simon Petrus ans Ufer und zog das Netz an Land. Es war voll mit großen Fischen – genau 153 Stück. Und das Netz zerriss nicht, obwohl es so viele waren.12Da sagte Jesus zu ihnen: »Kommt und esst!« Keiner der Jünger wagte es, ihn zu fragen: »Wer bist du?« Sie wussten doch, dass es der Herr war.13Jesus trat zu ihnen, nahm das Brot und gab ihnen davon. Genauso machte er es mit dem Fisch.14 Das war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern zeigte, nachdem er von den Toten auferstanden war.

Liebe Gemeinde!

Diese Ostergeschichte mag ich. Auch wenn sie irgendwie ganz durcheinander ist und nicht gerade logisch.

  • Da fahren die Jünger hinaus zum Fischen und Jesus ist am Ufer, aber spricht mit ihnen, als stünden sie direkt neben ihm.
  • Da erkennt Petrus Jesus und schwimmt zu ihm, nachdem er sich – zum Schwimmen! – erst etwas angezogen hat, weil er auf dem Boot nackt ist.
  • Und dann kommen alle am Ufer an, bringen den Fisch, nach dem Jesus gefragt hat, aber das Feuer brennt schon – und Fisch und Brot sind schon fertig.
  •  

Lauter Wendungen, die nicht zusammenpassen. Vermutlich sind da drei Geschichten zusammengeflossen, drei Geschichten, die man sich nachösterlich erzählt hat, wie der auferstandene Jesus seinen Jüngern begegnet ist:

Einmal eine Erzählung wie der Auferstandene seine Jünger zum Fischen schickt, und am Ende sind die Netze voll.

Dann eine Erzählung, wie Petrus Jesus am See sieht und zu ihm schwimmt.

Und dann eine Erzählung, wie Jesus am Ufer seinen Jüngern begegnet und sie mit Brot und Fisch speist.

Alle drei Geschichten waren vermutlich damals im Umlauf und wurden weitererzählt.

Alle drei spielten am selben Ort, am See Tiberias – ein anderer Name für den See Genezareth.

Und darum wurde daraus im Laufe der Zeit eine Erzählung.

Dass es dabei Ungereimtheiten gab, nahm man in Kauf.

Geschichten vermengen sich miteinander in der Erinnerung. Ich kenne das mit meiner eigenen Erinnerung. Ich erinnere mich neulich an den Lehrer, der immer wieder im Unterricht ganz plötzlich eingeschlafen war. Unter dem Gitarrenspiel. Dabei hatte ich nie diesen Lehrer. Es war mein Sohn, der diese Geschichte so lebendig mir erzählt hatte, dass ich meinte, ich hätte es selbst erlebt.

Man kann manche Geschichten gar nicht richtig trennen. Das war damals genau so wie ich es erlebt habe.  Geschichten werden unterschiedlich erzählt. Je nachdem, wo man den Schwerpunkt legt. Manchmal fließt es ineinander und manchmal eben nicht. Und so ist es oft.

Leben ist nie nur die eine Geschichte. Leben, das sind unzählige Geschichten, die sich berühren oder auch nicht. Darum mag ich diese Bibelerzählung.

Weil sie ein bisschen wie das Leben ist. Nicht ganz logisch, nicht ganz klar.

Glatte, leichte Geschichten gibt es schon genug, aber manchmal muss man sich den Unklarheiten aussetzen und zu sortieren beginnen,

Manchmal kann man drei Geschichten betrachten und die eine Geschichte daraus erzählen. Es sind drei österliche Geschichten, die uns Mut machen können für hier und heute.

Hören wir heute die Ostergeschichte aus der Sicht des Petrus, genauer gesagt drei Geschichten ineinander verwoben.

  1. Drösseln wir die erste Mutmacher-Ostergeschichte aus der Sicht des Petrus auf:                                 

„Ich bin wieder fischen gegangen. Ich geh fischen!“ sage ich. „Wir kommen mit“, sagen die anderen. Was bleibt uns auch übrig, nach all dem, was in der Karwoche passiert ist. Irgendwie müssen wir ja unsere Brötchen verdienen, oder Fische fangen. Aber wie so oft, die Netze sind leer; in dieser Nacht haben wir nichts gefangen.

Und so kommen wir müde und erschöpft zurück. Da steht einer früh am morgen am Ufer. Wir kennen ihn nicht.  Er fragt, ob wir Fische zu essen haben? Wir antworten: Nein.  Und geschieht etwas Seltsames, eine Art Déjà-vu: Nachdem er uns genau die Stelle gezeigt hat, wo wir fischen sollen, sind die Netze übervoll.

Vielleicht denkt ihr jetzt: Moment, das kommt mir doch bekannt vor! Da gibt es doch diese Geschichte, wie Jesus mich, den Petrus und die anderen als Jünger berufen hat. Ich denke nach, tatsächlich ein Déjà-vu: Genauso hat Jesus mich zum Jünger berufen, mich und die anderen: eine lange Nacht haben wir damals mit leeren Netzen gefischt, dann am frühen Morgen steht er da, fragt, zeigt: „Dort müsst ihr fischen!“ Und dann zu mir und den anderen: „Folge mir nach! Ich will dich, Simon Petrus zum Menschenfischer machen!“

Mir geht es durch und durch. Ist er es oder ist er es nicht? Bilde ich mir das jetzt ein? Spinne ich jetzt oder ruft er mich ein zweites Mal in die Nachfolge? Jetzt nach alldem, was geschehen ist? „Du aber, folge mir nach!,“ sagt er zu ihnen, zu uns.

  1. Drösseln wir die zweite Ostergeschichte aus der Sicht des Petrus auf:   

Ich, Petrus sitze nackt im Boot. Wenn man unter sich ist, lässt es sich als Fischer leichter so arbeiten. Da kann man leichter hantieren und verheddert sich nicht im Gewand.

Ich sehe diese Menschengestalt am Ufer, werfe mir sicherheitshalber ein Gewand über und schwimme hin.

Ich  kann – denke ich mir – Jesus, wenn er es wirklich ist, doch nicht nackert gegenübertreten. Aber unter dem Schwimmen merke ich, mit dem Gewand mache ich mir das Schwimmen schwerer. Das Gewand saugt sich voll Wasser und es zieht mich nach unten.

Und wieder geschieht etwas Seltsames, eine Art Déjà-vu: Während ich darum kämpfe, nicht nach unten gezogen zu werden, erinnere ich mich an eine andere Geschichte mit Jesus: Wie ein Sturm aufgekommen ist und wir allein im Boot saßen und das Boot fast gekentert ist. Wie Jesus vorne auf dem Wasser geht. Wie wir ihn für einen bösen Geist halten und wir schreien vor Furcht. Wie Jesus mich ruft und wie ich, ich kann´s kaum glauben, dass ich mich getraut habe, komme. Ich gehe über Bord, das Wasser hält stand, solange ich auf ihn schaue. Aber sobald ich nicht auf ihn schaue, drohe ich im Wasser zu versinken.

Ist er des wirklich, der da am Ufer eines neuen Morgens steht?  Und alles in mir schreit:

„Herr, ich will zu dir, egal ob jetzt ein Wunder geschieht und ich auf dem See laufe oder nicht, egal ob ich es mir selbst schwer mache oder nicht. Ich brauche kein Wunder. Ich brauche dich, Jesus!“

Das ist die zweite Mutmacher- Ostergeschichte aus der Sicht des Petrus

  1. Und dann die dritte Mutmacher-Ostergeschichte mit mir als Petrus:

Ich spüre wieder Boden unter meinen Füßen und kann stehen. Ich stehe noch im Wasser. Da kommen die anderen Jünger mit dem Boot und dem vollen Netz im Schlepptau ans Ufer. Ich helfe und ziehe das volle Netz an Land.

Und dort brennt schon ein Feuer. Fisch und Brot. Mehr als genug. Und Jesus.

„Kommt und esst!“ sagt er zu uns. Wir sehen uns an und erinnern uns an die vielfachen Geschichten, die wir mit ihm erlebt haben. Hat er nicht mit Brot und Fisch vier- oder fünftausend Menschen satt macht? Fisch und Brot. Mehr als genug . Und Jesus. Und wir Jünger.

Alles ist sofort wieder da.

Und mit Fisch und Brot in den Händen verstehen wir: So wie damals, als wir satt geworden sind, so geht es auch jetzt weiter. Auch, wenn wir uns nicht zu fragen trauen:

Es ist klar, wer dieser Gastgeber ist. Jesus. Er ist auferstanden. Seine Geschichte geht weiter!

Mein Blick fällt auf das Kohlenfeuer. Dieses Kohlenfeuer sehe ich Petrus mit noch etwas anderen Augen als die anderen Jünger. Die machen sich inzwischen an Brot und Fisch gütlich und schlagen sich die Bäuche voll. Mir bleibt der Bissen im Mund stecken.

Das letzte Kohlenfeuer  war, als ich im Hof der Hohenpriester saß und mir schweigend anhörte, wie sie drinnen Jesus verklagt haben. Ich sitze schweigend am Kohlenfeuer. Bis mich eine einfache Magd fragt: „Gehörst du nicht auch zu dem da?“ Mehrfach leugne ich. „Nein, Nein.“ „Doch, doch. Dein Dialekt verrät dich.“ „Und ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, dass ich diesen Mann nicht kenne.“

Das war die letzte Begegnung mit Jesus. Das war am Kohlenfeuer vor wenigen Wochen. Nun sitze ich wieder am Kohlenfeuer. Und habe glühende Kohlen unter dem Hintern. Ist das wirklich der, den ich verleugnet habe? Den ich nicht kennen wollte? Erkennt er mich?

Jesus tritt zu uns, nimmt das Brot und gibt uns davon. Genauso macht er es mit dem Fisch

Mir gehen die Augen auf. Er ist es. Genau wie damals. Und indem er mir wortlos Brot und Fisch gibt, gibt er mir wortlos zu verstehen: Ich vergebe dir!

Ich kann es nicht fassen.

Gleich im Anschluss nach dem wir miteinander gegessen haben, wendet er sich mir sogar direkt zu: 

»Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als irgendein anderer hier?« Ich antworte ihm; „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe. «Da sagt er zu ihm: »Führe meine Lämmer zur Weide!«16Dann fragt er mich ein zweites Mal: »Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?« Ich antworte vorsichtig: »Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe!« Da sagt Jesus zu mir: »Hüte meine Schafe!«17Zum dritten Mal fragt er mich: »Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?

Da werde ich tieftraurig, weil er mich zum dritten Mal gefragt hatte: »Hast du mich lieb?« Ich sage leise zu ihm: »Herr, du weißt alles! Du weißt, dass ich dich lieb habe! «Da sagt Jesus zu mir: »Führe meine Schafe zur Weide!“

Ich kann es nicht fassen. Er beauftragt mich wieder, Menschen zur Weide zu führen, Menschen zu fischen.

Mutmacher-Ostergeschichten habe ich diese drei Geschichten in einer Geschichte genannt. Sie machen uns Mut zum Leben.

Wir sind nicht Petrus. Wir sind, die wir sind. Unsere Netze schauen anders aus als die des Petrus. Unsere Netze, was uns wichtig ist, was wir in unser Lebensboot einholen wollen, schauen anders aus. Aber wie er kennen wir die Mühsal und Last leerer Netze, die Mühsal von vergeblicher Arbeit und vergeblicher Liebesmüh.

Und wie Petrus kennen wir die Momente im Leben, in denen wir den Boden unter den Füßen verlieren und verzweifelt nach Halt ringen.

Und wie Petrus haben wir Alltagssorgen, nicht genug zu bekommen, mit Corona haben viele sogar Existenzsorgen, ob die Fische, die wir haben, wirklich reichen. Und manchmal versagen wir wie Petrus

Wie Petrus sagt uns der auferstandene Herr:

Folge mir nach, auch wenn du zur Zeit vielleicht nur Mißerfolge siehst und leere Netze. Folge mir nach.

Wie Petrus sagt uns der auferstandene Herr:

In mir wirst du Halt , wenn du in deinem Meer zu versinken drohst. Keine Ängste, keine Sorgen müssen dich hinunterziehen. Ich stehe doch am anderen Ufer und warte auf dich.

Und wie Petrus sagt uns der auferstandene Herr:

Und solange du hier auf Erden lebst, ist genug da. Brot und Fisch für alle und du sollst auch genug haben. Es ist genug da. Und habe keine Angst, Fehler zu machen oder zu versagen.

Und vertraue darauf, ich bin bei euch alle Tage auch in diesem verrückten Corona Jahr 2021 .

Wenn uns das keinen Mut gibt, weiß ich auch nicht. Amen.

Eine jüdische Ostergeschichte – Onlinepredigt Ostern 2021

Ostersonntag 2021, 2. Mose 14,7-14.19-23.28-30a; 15,20f

Eine jüdische Ostergeschichte 2021

Die christliche Ostergeschichte ist nicht nur in diesem Jahr eine jüdische Geschichte. Jesus war Jude. Er hat als Jude gelebt, ist als Jude im jüdischen Glauben gestorben. Und auch die Ostergeschichte, seine Ostergeschichte, ist einejüdische Geschichte. Zufälligerweise feiern wir heuer das christliche Osterfest und das jüdische Passafest zusammen.

Unser Ostertag 2021 ist der letzte Tag des diesjährigen Passafestes. Wir feiern Ostern in Anlehnung an das letzte Passamahl Jesu. Am Anfang dieses Passafestes steht in jüdischen Familien bis heute eine Frage des jüngsten Kindes: „Warum unterscheidet sich diese Nacht von allen anderen Nächten?“, so fragt in der Seder-Nacht, am Vorabend der Pessachwoche, das jüngste Kind. Daraufhin antwortet der Vater mit der alten Erzählung der Errettung der Israeliten aus der Knechtschaft in Ägypten. Dieses Ereignis feiern die Menschen jüdischen Glaubens bis zum heutigen Tag.

Es ist die jüdische Geschichte schlechthin: die Geschichte vom Auszug der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten. Eine jüdische Befreiungs-geschichte.

Die Geschichte vom Auszug aus Ägypten und dem Durchzug durchs Schilfmeer ist einer der wichtigsten Texte für unsere jüdischen Mitmenschen. Diese jüdische Geschichte lebt von starken Bildern. Das Volk steckt fest in der Klemme. Von hinten kommen die ägyptischen Soldaten angeritten. Vorne das Meer unüberwindlich. Angst, Furcht, Panik.

Dann das Wasser teilt sich. Es überschwemmt die ägyptischen Soldaten

Und vor dem zögerlich vorwärtsschreitenden Volk tut sich ein Weg auf. Links, rechts die Wasserwände. Sie fallen nicht über die Menschen, erst über die nachrückenden Ägypter fallen sie her. Und das jüdische Volk kommt trockenen Fußes durch das Meer.

Ein eindrückliches Bild. Dieses Wasser, das die jüdischen Menschen vor den Gefahren beschützt, dieses Wasser, das die Ägypter überschwemmt und sie ersaufen. Dieses Wasser beflügelt und übersteigt gleichzeitig unsere Vorstellungskraft.

Und es ist auch ein passendes Bild für unsere Zeit, in die hinein wir dieses Osterfest 2021 feiern. Wir stecken fest im Lockdown einer Pandemie, hinter uns, ja sogar um uns herum, das tödliche Virus. Diese Pandemie ist auch so etwa wie eine Pandemieflut. Wir Menschen haben sie überlebt. Wir Überlebenden sind dieser furchtbaren entronnen sind. Aber sie ist noch lange nicht überwunden. Noch stecken wir fest im Lockdown dieser Pandemie. Eine Welle, die zweite, jetzt die dritte Welle. Und wir müssen gut auf uns aufpassen, dass diese Pandemieflut nicht bei uns alle Zuversicht und Hoffnung hinwegschwemmt.

Und was feiern wir Christen?

Zu meiner Überraschung ist diese jüdische Befreiungsgeschichte der Predigttext für uns Christen und Christinnen am Ostersonntag.

Ostern ist das christliche Fest der Auferstehung Jesu und gleichzeitig eine jüdische Befreiungsgeschichte:  Auferstehung ist Befreiung. Und Befreiung ist Auferstehung. Befreiung ist Auferstehung mitten im Leben. Davon will ich heute von der urjüdischen Befreiungsgeschichte aus christlicher Perspektive erzählen.


Sklaverei als Todesherrschaft

Die Israeliten waren Sklaven in Ägypten. Sklaverei, das heißt Tod. Sklaven gehören nicht sich selbst, sie gehören ihren Herren. Sklaven sind nicht frei, sie sind gefangen. Sklaven können sich nicht entfalten, können nicht leben, was in ihnen steckt; alles wird niedergedrückt und erstickt. Sklaven können nicht selbst bestimmen; sie werden gezwungen. Die Israeliten waren Sklaven in Ägypten. Sie waren mitten im Leben tot.

Wir kennen das auch von uns her, von unseren Glaubenserfahrungen, in irgendetwas gefangen zu sein. Wir können uns nicht selbst befreien von unseren Ängsten, Sorgen und Todesfurcht. Und unsere Zeit kennt auch so etwas wie Sklaverei. Wir sind durch Corona nicht frei in unseren Entscheidungen, können nicht hinfahren, wohin wir wollen, uns versammeln wie wir wollen, einander begegnen wie wir wollen. So verzichten wir auch heuer auf Präsenzgottesdienste an Karfreitag und den Ostertagen Alles wegen dieses tödlichen Corona-Virus!

Das Gefühl, gefangen zu sein kennen wir. Was Sklaverei bedeutet, können wir nur erahnen. Wir spüren die Sehnsucht, endlich wieder frei zu sein. Noch viel mehr spüren die Menschen damals die Sehnsucht, endlich frei zu sein. Zuerst war sie noch ganz klein, diese Sehnsucht. Ganz klein nur, kaum mehr als ein Funke, zart und verletzlich wie ein Vogel. Diese Sehnsucht nach der Freiheit. Dies Sehnsucht nach Freiheit lässt sie träumen. Und klagen: Wer führt uns aus diesem Elend der Sklaverei heraus?– Gott hört ihre Klagen. Er ruft Mose: Führe mein Volk in die Freiheit! Es folgt ein langes Hin und Her. Doch dann ist es so weit: Sie ergreifen die Flucht. Bei Nacht und Nebel verlassen sie ihre Sklavenhäuser und werfen die Sklavenketten ab.

Sie verlassen die Brutstätten des Schreckens. Den Geruch von Schweiß und Blut. Sie treten ins Freie. Sie atmen auf. Sie atmen ein: frische, kühle Luft. Sie rennen los. Doch dann …


14.8. „Denn der Herr hatte es so gefügt, dass der Pharao, der König von Ägypten, nicht begriff und die Israeliten verfolgte. Die aber zogen aus mit erhobener Hand. 9 Die Ägypter jagten ihnen nach – alle Pferde und Wagen des Pharao, seine Reiter und sein Heer.

Die Israeliten lagerten noch am Meer, bei Pi-Hahirot vor Baal-Zefon.       Dort holten die Ägypter sie ein.“



Der Tod lässt sie nicht los. Niemanden gibt er her. Der Tod ist es gewohnt, immer das letzte Wort zu haben. Er ist die Endstation. Auch für uns. Auch zu Coronazeiten. Wenn der Tod uns holen kommt, hilft kein Mittel. Es trifft jeden. Wer seinen Krallen jetzt entwischt, wird gejagt, erbarmungslos gejagt. Bislang hat der Tod noch jeden gekriegt. Auch jetzt holt er auf …

Angst als Helferin des Todes

10 Als der Pharao näher kam, blickten die Israeliten auf und sahen: Die Ägypter rückten hinter ihnen heran!

Da bekamen die Israeliten große Angst und schrien zum Herrn um Hilfe.

11Sie beklagten sich bei Mose: »Gab es denn keine Gräber in Ägypten? Hast du uns in die Wüste gebracht, damit wir hier sterben? Wie konntest du uns aus Ägypten führen! 12Haben wir nicht schon in Ägypten zu dir gesagt: Lass uns in Ruhe! Wir wollen lieber den Ägyptern dienen! Es ist besser, dass wir in Ägypten Sklaven sind, als in der Wüste zu sterben.«

Die Angst ist die rechte Hand des Todes. Mit ihrer Hilfe holt sich der Tod seine Beute zurück. Denn die Angst lähmt. Auch die Israeliten. Sie hören die Pferde und Wagen der Ägypter. Sie hören die Rufe der Verfolger. Sie sehen den Staub in der Ferne aufwirbeln. Und sie bekommen Angst, Todesangst. Sie kommen nicht weiter. Der Antrieb schwindet, die Ideen gehen aus, die Beine werden schwer. Sie schauen nicht mehr nach vorn in die Freiheit, sie starren zurück in den Rachen des Todes. Sie schreien. Sie verzweifeln. Von Sehnsucht keine Spur mehr. Sie sehnen sich zurück. Die Angst verklärt die Vergangenheit: Warum nur sind wir geflohen? War es denn wirklich so schlimm im Grab? Schmeckte der Tod nicht auch süß? Waren wir da nicht geborgen? Ging es uns nicht eigentlich ganz gut? – Wo die Angst lähmt, wo die Angst die Sehnsucht nach der Freiheit erstickt und das Sklavendasein verklärt, da hat der Tod leichtes Spiel. Der Vorsprung schmilzt. Gleich haben die Verfolger das Volk am Meer eingeholt. Und dann gibt es keinen Ausweg mehr …

Befreiung aus der Todesmacht als Geschenk

13 Darauf sagte Mose zum Volk: »Fürchtet euch nicht! Stellt euch auf und seht, wie der Herr euch heute retten wird! Denn so, wie ihr die Ägypter jetzt seht, werdet ihr sie nie wieder sehen.

14 Der Herr wird für euch kämpfen. Ihr aber sollt still sein.

21 Mose streckte die Hand aus über das Meer. Da trieb der Herr das Meer die ganze Nacht durch einen Ostwind zurück.

Er machte das Meer zum trockenen Land, und das Wasser teilte sich.

22 So konnten die Israeliten auf trockenem Boden mitten durch das Meer ziehen. Das Wasser stand rechts und links von ihnen wie eine Mauer.


Nicht zu fassen! Da, ein Weg! Auf einmal tut sich ein Weg auf, wo kein Weg vorher zu finden war. Wo vorhin noch wild die Wellen schlugen, bahnt sich jetzt ein Weg. Ein Weg einfach aus dem Nichts. Vorhin war er noch nicht da. Gott hat ihn gemacht. Dass sich in der Sackgasse ein Weg auftut, das kann nicht ich machen, das kann nur Gott. Dass die Sackgasse entgegen allem Augenschein nicht das Ende ist, dass aus der Sackgasse ein Weg herausführt – und zwar nicht ein Weg zurück, sondern nach vorn! –, das kann nur ein Gott machen, der stärker ist als der Tod. Der Gott Israels ist ein Gott, der stärker ist als der Tod. „Fürchtet euch nicht! Haltet still, Gott kämpft für euch.“ – Die Klagen verstummen. Das Volk fasst Vertrauen. Vertrauen gegen die Angst. Sie starren nicht länger zurück. Sie schauen wieder nach vorn. Und gehen los.

23 Die Ägypter aber verfolgten sie. Sie jagten hinter ihnen her mitten in das Meer – alle Pferde des Pharao, seine Streitwagen und Reiter.

24 Kurz vor Morgengrauen sah der Herr nach den Ägyptern. Er blickte aus der Feuer- und Wolkensäule auf sie und brachte das Heer der Ägypter in Verwirrung.

25 Er bremste die Räder ihrer Streitwagen. Sie kamen nur mit Mühe voran.

Da sprachen die Ägypter: »Lasst uns vor Israel fliehen! Denn der Herr kämpft für sie gegen Ägypten.«

26 Darauf sagte der Herr zu Mose: »Strecke die Hand aus über das Meer! Das Wasser soll über die Ägypter zurückfluten – über ihre Streitwagen und über ihre Reiter.«

27 Mose streckte die Hand aus über das Meer. Da flutete das Wasser gegen Morgen wieder zurück. Die Ägypter aber flohen dem Wasser entgegen. So stürzte der Herr die Ägypter mitten ins Meer.

28 Das Wasser flutete zurück und bedeckte Wagen und Reiter. Das ganze Heer, das dem Pharao folgte, ging unter. Kein Einziger von ihnen blieb am Leben.

29 Aber die Israeliten waren auf trockenem Boden mitten durch das Meer gekommen. Denn das Wasser stand rechts und links von ihnen wie eine Mauer.

30 So rettete damals der Herr die Israeliten vor den Ägyptern. Israel sah die Ägypter tot am Ufer liegen.“



Das jüdische Volk zieht durch die Fluten in die Freiheit. Über den Verfolgern aber schlagen die Wellen zusammen. Der Tod ertrinkt. Der Tod wird in den Sieg verschlungen. Nie wieder wird er nach ihnen ausgreifen. Nie wieder wird er über sie herrschen. Nie wieder wird er sie demütigen, erniedrigen, versklaven. Er ist ein für alle Mal besiegt. Sie erreichen das andere Ufer. Vergnügt, erlöst, befreit. Das lässt sie singen. Sie singen, spielen und tanzen. Sie stimmen das allererste Osterlied an.

„15,20 Die Prophetin Mirjam, die Schwester Aarons, nahm ihre Pauke in die Hand. Auch alle anderen Frauen griffen zu ihren Pauken und zogen tanzend hinter ihr her.

21 Mirjam sang ihnen vor:

Singt für den Herrn: Hoch und erhaben ist er.

Rosse und Wagen warf er ins Meer.“

Vom Wert der Freiheit in unfreien Zeiten

Auferstehung ist Befreiung. Befreiung mitten im Leben. Nicht erst am jüngsten Tag, nein, schon jetzt. Auferstehung geschieht überall da, wo sich ein Weg durch das Nichts bahnt, wo der Stein weggerollt wird, wo wir allem entkommen, was uns klein und würdelos macht. Auferstehung geschieht überall da, wo die Angst verstummt, weil Gott uns einen Weg weist. Auferstehung geschieht überall da, wo das, was uns kaputt macht, selbst kaputt geht. Auferstehung geschieht überall da, wo sich unser Mund öffnet und wir anfangen zu singen: „Lasst uns dem HERRN singen, denn er ist hoch erhaben; Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt.“

Auferstehung ist Befreiung. Dass wir Christen das wissen, das verdanken wir unseren jüdischen Glaubensgeschwistern. Sie haben ihre Freiheitsgeschichte mit ihrem jüdischen Mitmenschen Jesus und seinen Jüngern geteilt. Und Jesus teilt diese jüdische Freiheitsgeschichte  mit uns, seinen Nachfolgern und Christen zu allen Zeiten und Jahrhunderten. Egal ob evangelisch, katholisch, orthodox, oder was weiß ich, wir feiern als Christenheit miteinander und mit unseren jüdischen Glaubensgeschwistern ihre uralte Freiheitsgeschichte. Und mit dem, was Jesus damals widerfahren ist, damals nach seinem letzten Passahmahl, dieses österliche Ereignis hat sie uns zur Ostergeschichte werden lassen.

Das Grab ist leer, der Tod hat plötzlich nicht mehr das letzte Wort und das Leben feiert seinen Sieg immer wieder über das, was uns gefangen nehmen will.


In der Pandemie fehlt uns die Freiheit sehr. Ich hoffe zumindest, dass sie uns fehlt. Ich hoffe sehr, dass wir uns zuhause nicht zu sehr einrichten. Es ist gemütlich in den eigenen vier Wänden, ohne viele Kontakte, ohne Begegnungen mit anderen Menschen, die einem sonst zu nahe rücken. Aber dieses Leben in der Pandemie ist auch ein Gefängnis, ein Sklavenhaus, dem das echte Leben fehlt. Und die Lebensfreude auch. Ich nehme wahr, wie wenig sich die Menschen freuen können. Dabei gibt es doch auch die kleinen Dinge, die uns das Herz aufgehen lassen. Wie Mehltau legt sich diese Pandemiedepression auf unsere Gemüter. Wir Menschen sehen gedrückt und müde aus.

Aber dann entdecke ich doch den einen oder anderen Funken Sehnsucht nach einem Ende der Gefangenschaft und den einen oder anderen Funken  Sehnsucht nach Freiheit in uns. Klar, Freiheit ist immer riskant. Wer weiß, was auf uns zukommt, wenn wir durch diese Pandemie sind, oder durch das, was uns sonst bindet und gefangen nimmt? Aber – und das dürfen wir mit Ostern als Auferstehungsgeschichte glauben: Der Tod konnte Jesus nicht zurückhalten. Wir stecken mitten in der Ostergeschichte, die auch eine Befreiungsgeschichte vom Tod ist.  Wie es am Ende drüben am anderen Ufer dann aussieht, wissen wir nicht. Aber ich finde es einen tröstenden Gedanken, wir werden am Ende, wenn wir durch sind, von Jesus und all den anderen empfangen und einen österlichen Tanz beginnen, vor Freude hüpfen und springen, weil wir durch sind und das Land der Freiheit gefunden haben. 
Amen.

Innere Heilung unserer Krankheit, Onlinepredigt Karfreitag 2021

Predigt über Jesaja 53,1-12 Innere Heilung unserer Krankheit  Karfreitag 2021


Wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und wem ist der Arm des Herrn offenbart? Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.
Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.
Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der Herr warf unser aller Sünde auf ihn. Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf. Er ist aus Angst und Gericht hinweg genommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat meines Volks geplagt war. Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist. So wollte ihn der Herr zerschlagen mit Krankheit. Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben, und des Herrn Plan wird durch seine Hand gelingen. Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben. Und durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden. Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben, und er soll die Starken zum Raube haben, dafür dass er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten.

Liebe Gemeinde,

1. Unbekannte Lasten
Was schleppen wir manchmal an Lasten mit uns herum. Damit meine ich nicht sichtbare Lasten. Oft genug schleppen wir Lasten mit uns herum, die keiner sieht, die vielleicht sogar uns selbst nicht bewusst sind. Aber wir

Möglicherweise fühlen wir uns schuldig, fühlen uns unsicher, sind neidisch auf andere und überhaupt mit dem Leben so wie wir es momentan durchleben, sind wir unzufrieden. Lauter emotionales Gepäck schleppen wir da mit! Viele Menschen sind überladen mit Sorgen, müde von der Arbeit und ausgepowert über fehlgeschlagene Planungen. Wie ist es da möglich mit dem Leben zufrieden zu sein? Wie kann man da glücklich sein oder wenigstens zufrieden sein mit seinem Leben, wenn man sich ständig nur abmüht und durchschleppt durchs Leben?

Wenn Menschen innere Lasten zu schleppen haben, haben sie oft auch körperliche, psychosomatische Beschwerden. Sie sind immer unruhig, haben ständig Schmerzen, können sich nicht mehr entspannen. Sie brauchen dringend Hilfe.

Es gibt Zeiten, da geht es mir ganz genauso. Ich schleppe mich mit etwas ab. Etwas plagt mich. Aber wenn ich mich nach meiner Last frage, kann ich sie nicht benennen. Ich weiß dann nur, etwas drückt mich, plagt mich. Ich bin mit einer Last beladen, die ich möglicherweise nicht benennen kann.


Liegt es daran, dass wir es gewohnt sind, beladen zu sein? Lieben wir so sehr die Krankheit und den Schmerz? Warum ist es nicht möglich unsere Last einfach abzulegen?


Zum einen wohl, weil wir sie vergessen haben. Wir haben die Last, die auf uns liegt, verdrängt. Die Last auf Dauer zu spüren, ist ja auch schmerzlich. Und vielleicht hat die Last, die wir tragen, auch mit Schuld zu tun. Zum anderen werden wir die Last nicht so einfach los, weil wir daran gebunden und verstrickt sind.

So gibt es eine bekannte Seite von uns und eine auch für uns selbst unbekannte Seite. Nach außen hin lassen wir uns möglichst nichts anmerken, dass es auch noch eine andere Seite an uns gibt, die wir als Last und Mühsal empfinden.

Wie ist das mit der Last? Möchte Gott, dass wir mit schwerer Last auf dem Rücken ständig herumlaufen? Ist sein Lebensziel mit uns Erschöpfung?
Es gibt wohl Christen, die das glauben. Sie denken, wenn du dich Gott anvertraust, dann wird er dir den Rest deines schönen Lebens wegnehmen. Du musst dein Ich aufgeben, Dich aufopfern und Gott packt dich mit Anforderungen so voll, dass du am Ende überfordert bist.

In Jesaja 53 wird ein solcher Mensch beschrieben: Alles Schöne und Liebenswerte wurde ihm genommen: Dieser Mensch ist am Ende, musste sich aufopfern:


In Jes. 53,10 steht: “Der Herr wollte ihn leiden lassen und zerschlagen.“ Und in Vers 4-5: “In Wahrheit hat er die Krankheit auf sich genommen, die für uns bestimmt war und die Schmerzen erlitten, die wir verdient hätten. Er wurde verwundet, und wir sind heil geworden.“

Das klingt in meinen Ohren furchtbar. Zunächst ist es ja ein Gottesknechtslied in der hebräischen Bibel von einem unbekannten Gottesknecht, dem eine furchtbare Last auferlegt worden ist. Wollte Gott diesen unbekannten Menschen wirklich leiden lassen und zerschlagen? Wie kann dieser unbekannte Mensch die Krankheit, die uns bestimmt war, auf sich nehmen. Wie kann er die Schmerzen, die wir verdient hätten, selber erlitten haben?

Wer ist dieser Mensch voller Krankheit und Schmerzen? Vielleicht eine einzelne Gestalt, der Prophet selber, vielleicht das Volk Israel, das im Exil Schlimmes durchmachen musste. Wir wissen es nicht.

Später ist dann diese Aussage über den unbekannten Gottesknecht von den frühen Christen auf Jesus übertragen worden: Sie schauen auf Jesus, den Gekreuzigten und sagen: Ja, genau das trifft auch auf Jesus zu: Was über den unbekannten Gottesknecht in Jesaja ausgesagt wird, wird auch über unseren Jesus ausgesagt:

“ Der Herr wollte ihn leiden lassen und zerschlagen.“

“In Wahrheit hat er die Krankheit auf sich genommen, die für uns bestimmt war und die Schmerzen erlitten, die wir verdient hätten. Er wurde verwundet, und wir sind heil geworden.“

Schnell sind wir dabei, von unseren Traditionen und Überlieferungen her bestärkt, mit einzustimmen:  Ja, genau: Als Jesus am Kreuz hing, wollte Gott ihn zerschlagen und leiden lassen. Und am Kreuz, fürwahr trug er unsere Krankheit, lud auf sich unsere Schmerzen.

Inzwischen frage ich mich aber: Wollte das Gott wirklich, dass Jesus am Kreuz zerschlagen wurde? Wollte Gott wirklich Jesus leiden lassen? Wollte Gott wirklich, dass er am Kreuz unsere Lasten trägt und nicht wir?

Ist Jesus für uns gestorben?

Ich will denen unter uns, denen dieser Satz lieb und vertraut ist, nicht wegnehmen., ist. Wenn dieser Satz, dass Jesus am Kreuz für uns gestorben, dir gibt Trost und eine echte Hilfe ist, frei zu werden, von dem, was dich gerade niederdrückt, bin ich der letzte, der dir das wegnehmen will.

Ich will aber denen unter uns, denen dieser Satz zunehmend fremd geworden ist, weiterführen in einen anderen Raum, in dem ganz neu darüber nachgedacht werden kann: Wie ist es, wenn ich so beladen bin, wie kann ich frei werden? Wie ist es, wenn ich mich krank fühle, wie kann ich wieder heil werden?

Im Jesajatext ist ja von einer Krankheit ist die Rede.  Er trug unsere Krankheit. Wie kann man die Krankheit eines anderen tragen? Geht nicht. Aber die Krankheit mit einem anderen Menschen teilen, das geht. Er trug die gleiche Krankheit wie wir.

Was macht uns krank? Was macht mich krank?

Mich macht krank, wenn ich selber mir manches  vorhalte, was für mich schwer wiegt. Oder auch das macht mich krank, wenn ich mir von anderen etwas vorhalten lassen muss, was ich als schwerwiegend  und niederdrückend empfinde.

Was Menschen, die über ihn urteilten, Jesus vorgehalten haben, das war ebenfalls  für ihn schwerwiegend, niederdrückend: „Du lästerst Gott, in der Art und Weise, wie du deinen Glauben lebst! Für dich ist kein Platz auf dieser Welt!“ Das macht krank.

Mich macht krank, wenn ich mir ständig etwas vorwerfe oder vorwerfen lasse, selbst wenn es nicht stimmt. Mich macht krank, wenn ich auf meine Schuld festgenagelt werde.

Jesus wurde buchstäblich am Kreuz festgenagelt. Und darüber wurde ein Anklageschild genagelt: König der Juden wollte er sein, dieser Jesus, ein Aufrührer und Rebell.  Festgenagelt auf etwas, was er gar nicht sein wollte. Das macht krank.

Mich macht krank, wenn wir es nicht aushalten, dass wir alle miteinander nur Menschen sind: wir sind unvollkommen, fehlerhaft, manchmal auch boshaft und in manchem können wir mehr als abgrundtief böse sein –  ich selber auch. Und das zu erfahren und zu erleiden, macht mich krank.

Jesus erleidet diese Abgründe menschlichen Daseins. Die Bosheit und das abgrundtiefe Bösesein seiner Mitmenschen tobt sich an ihm aus. Das macht krank.

Fürwahr, er trug unsere Krankheit.

Unsere Krankheit. Das Wort unser verweist auf die soziale Struktur einer Krankheit. Ich bin nicht für mich allein krank. Das soziale Umfeld, das Miteinander kann krank machen. Jesaja weiß davon, wenn er von unserer Krankheit spricht, wie sehr Schuld einen Menschen krank machen kann und wie tief hinein dabei die Schuld in die sozialen Strukturen unseres persönlichen Lebens hineinverwoben ist. Wir sprechen z.B. von der manchmal krankmachenden Arbeitswelt, oder von krankmachende Beziehungen.

„Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen.“

Von Schmerzen ist auch die Rede beim Gottesknechtlied: Er lud auf sich unsere Schmerzen.

Viele von uns wissen, was körperliche oder psychische Schmerzen sind, leiden vielleicht selber darunter oder haben Angehörige, bei denen sie hilflos zuschauen müssen. Wir erfahren den physischen und psychischen Schmerz in unterschiedlichster Weise: den Schmerz, wenn du Abschied nehmen musst von einem dir vertrauten Menschen; den Schmerz im Erleiden einer unheilbaren Krankheit; den Schmerz, wenn du das Gefühl hat, allein gelassen zu sein, den Schmerz der Einsamkeit im Alter; den Schmerz in den Verletzungen, die uns zugefügt werden. Oder der Schmerz im schreiendem Unrecht, dem wir uns hilflos ausgeliefert fühlen; der Schmerz in unzähligen Verlusterfahrungen. All das schmerzt.

Wir müssen nicht an einem Kreuz hängen, um dem Schmerz ausgesetzt zu sein. Wir müssen nicht selbst gekreuzigt sein, um uns mitten im Leben gekreuzigt zu fühlen, aufs Kreuz gelegt. Im Schrei Jesu am Kreuz drückt sich unser ganz Schmerz aus, ja der Schmerz einer ganzen geschundenen Menschheit und Schöpfung.

 Schmerz und Krankheit – daran haben wir alle in irgendeiner Weise zu tragen. Und wir alle sehnen uns nach Heilung, innerer und äußerer Heilung.

Kann der Tod Jesu Heil bringen in dem Sinn, dass er zur eigenen inneren Heilung beiträgt?

Wo Krankheit ist, kann eine innere Heilung geschehen:  Gott kann aus einem Leiden, das sonst sinnlos wäre, etwas Gutes entstehen lassen. Diese Erfahrung haben Menschen zu allen Zeiten gemacht und daran möchte auch ich festhalten: Gott kann aus dem Leiden von Menschen Gutes entstehen lassen:

Dietrich Bonhoeffer schrieb aus dem Gefängnis heraus:  

„Ich glaube,
dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen,
die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube,
dass Gott uns in jeder Notlage
so viel Widerstandskraft geben will,
wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben müsste alle Angst
vor der Zukunft überwunden sein.“

Müsste. Bonhoeffer ist selbst unsicher, ob tatsächlich alle Angst vor der Zukunft überwunden ist, wenn wir nur glauben.

Noch einmal meine Frage:  Kann der Tod Jesu Heil bringen, dass er zu unserer inneren Heilung beiträgt?

Er müsste es jedenfalls. Er könnte es, wenn wir Gott nur genug Vertrauen entgegenbringen, dass Gott es gut mit uns meint.

Heil und innere Heilung hat Jesus schon zu Lebzeiten den Menschen gebracht, indem er den Menschen gezeigt hat: Gott ist gut zu dir. Da hat er es bewiesen: Gott ist gut zu dir, er kann dich heilen innerlich und äußerlich. Und dazu ist Jesus gekommen, sagt Jesus, den Menschen Heil und Heilung zu bringen. Zu den Mühseligen und Beladenen sieht sich Jesus gesandt. Wie einen Arzt sieht er sich, den zwar nicht die Gesunden brauchen, aber umso mehr die Kranken.

Aber nun ist er selber krank und elend am Kreuz hängend. Er ist nicht mehr Arzt und Heiler, der andern helfen kann. „Steig herunter und hilf dir selber!“ spotten sie über ihn. Ein Arzt, der sich und anderen nicht mehr helfen kann. Kann von einem solchen hilflosen Helfer Heil und Heilung kommen?

Allein mit dem Tod am Kreuz sicher nicht. Das Kreuz durchkreuzt Jesu heilende Sendung. Ganz abrupt wurde damit seine Mission, seine Sendung gestoppt, den Mühseligen und Beladenen Arzt und Helfer zu sein. Nun stirbt Jesus selbst den Tod von uns Mühseligen und Beladenen. Was Heil war, hat sich in Unheil verkehrt. Was in ihm heil war, ist zerbrochen. Auf ihn liegt sogar ein Fluch, sagt Paulus.

Die Strafe liegt auf ihn, damit wir Frieden hätten, heißt es im Gottesknechtlied Jesajas.

Wer straft da Jesus? Gott? Nein, ganz bestimmt nicht. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass sich am Kreuz ein zorniger Gott austobt.  Wenn einer straft, dann sind es wir Menschen. Was wir einander antun, manchmal wissentlich, oft unabsichtlich, das ist unsere Strafe. Die Konsequenz, die Folgen unseres manchmal so abgrundtief boshaften Lebens, hatte Jesus zu tragen.

Es ist der Hass und die Wut von Menschen, die ihm damals den Tod eingebracht haben. Es ist die Grausamkeit, zu der wir Menschen fähig sind, die ihm Nägel ins Fleisch getrieben haben. Es ist das Unheil, das Menschen aus welchen Gründen auch immer dazu bringt, den Menschen nicht mehr Mitmensch sein  zu lassen, was Jesus das Unheil einbringt All das trägt er, erträgt er bis zum Schluss.

Und seitdem bist du mit deiner Last, deinem Unheil, deiner Krankheit nicht mehr allein Wir müssen unsere Lasten nicht alleine tragen. Schau auf ihn, er trägt die gleiche Last wie wir dort  am Kreuz.

Ein jüdisches Sprichwort besagt: „Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt!“  Umgekehrt kann ein Mensch die ganze Welt retten. Symbolisch trägt dieser eine Mensch die Last der ganzen Welt. Stellvertretend für alle trägt dieser eine Mensch diese Last.

Er wäre darunter zusammen gebrochen, genauer gesagt: er ist darunter zusammengebrochen. Kein Mensch kann diese Last der gesamten Welt tragen. Auch Jesus nicht. Darum ist er zusammengebrochen. Und war am Ende. Am Ende war nur sein Schrei, der Schrei stellvertretend für den Schrei der geschundenen Menschheit.

Und nur weil Gott ihn wieder auferweckt hat, ihn wieder ins Recht gesetzt hat, kann er als gekreuzigter und auferstandener Herr uns Heil bringen. Wir dürfen unter seinem Kreuz alles abladen, was uns belastet. Wir brauchen unsere Lasten nicht alleine tragen.

Merken Sie in Ihrem Leben davon, dass Sie Ihre Last nicht dauernd selber herumschleppen müssen? Leider merke ich selber manchmal wenig davon, was mich angeht. Oft genug verhalte ich mich so, dass ich glaube ein besserer Christ zu sein, je mehr ich an Belastung trage und spüre. Ich habe das bis in meinen Körper hineingetan, gemeint, alles selber schleppen zu müssen.

Im Bild gesprochen: Unser Leben gleicht manchmal einem Eisberg. Da ragt etwas sichtbar aus dem Wasser, die Spitze des Eisberges. Bei den einen ist diese Spitze des Eisberges so groß, dass sie nicht zu übersehen ist. Bei den anderen ist die Spitze des Eisberges winzig, leicht zu übersehen. Aber was viele übersehen:  Unter der Wasseroberfläche in  den Tiefen des Lebens verbirgt sich mehr: Manchmal sind es riesige Lasten, die wir unter den Tiefen des Lebens verborgen halten. Oft genug ist es uns gar nicht bewusst, was sich da unten  in  uns verbirgt.

Es braucht uns nicht zu wundern, wenn wir möglicherweise das Leben als Riesenlast empfinden, obwohl doch oberfläch-lich gesehen nur wenig Eis zu sehen ist. Möglicherweise ist es nur die Spitze vom Eisberg. Möglicherweise schleppen wir uns mit den richtig großen Lasten in den Tiefen unserer Seele ab.

Aber auch das müssen wir nicht. Wir können eines tun: Gott heranlassen an den Eisberg in unseren Tiefen. Das bedeutet Heilung: Alles in mir Zerbrochene Gott hinhalten. Egal ob ich es zerbrochen habe oder andere in mir: Gott hinhalten, damit er es heilen kann.

Oder im Bild des Eisberges: Heilung bedeutet, sich der heilenden Wärme und Liebe Gottes immer und immer wieder auszusetzen, bis das Eis schmilzt, bis sogar ein ganzer Eisberg schmilzt, auch das Eis in meinen Tiefen.

Es dürfte klar sein, dass Heilung nicht von heute auf morgen geschieht, dass Heilung Zeit braucht. Gott richtet das in mir Zerbrochene so gut wie möglich wieder her. Heilung bedeutet aber auch, dass die Macht der Zerbrochenheit von Gott gebrochen wird und du frei wirst von der Macht von Sünde, Krankheit und anderen Todesmächten, die dich beherrschen wollen. Bis wir wirklich frei und heil geworden sind, bis wir eine neue Schöpfung geworden sind, das kann dauern,

Was kann uns heilen? Es ist letztlich die bedingungslose Liebe Gottes, die alles, was in uns erstarrt und wie tot ist, wieder zu neuem Leben erwecken kann.

Ach, wenn du es doch bloß fassen könntest,
wie tiefgehend diese Liebe Gottes ist,
dann würdest du es tief in dir drinnen spüren,                      wie sehr du geliebt bist von Gott!

Du fragst dich, wie das zusammenpasst, Dein Schicksal, deine Schicksalsschläge, deine Krankheiten, das was du gerade durchmachst oder durchgemacht hast, wie das zusammen passt mit einem gütigen, liebenden Gott?
Schau auf den einen, der genauso fragend am Kreuz hängt.

Du zweifelst, dass da ein Gott ist, der dich lieben kann?
Du meinst du, du hast schon zu viel durchgemacht, dein Herz ist schon zu verschlossen für diesen Gott?
Vertraue darauf. Gott ist da in allem Leid, in aller Krankheit und allem Schmerz ist Er da und seine Liebe geht tief genug,  um dich in den Tiefen deines Herzens zu erreichen.
Glaub mir, Gottes Liebe ist unglaublich heilsam für deine Seele

Aus dieser heilsamen Liebe Gottes ist auch Jesus  am Kreuz nicht herausgefallen.  Und auch, wir, ganz egal welche Last uns belastet, ganz egal welche Krankheit, welches Leid, welche Schuld auf uns lastet, ganz egal, welcher Schmerz uns quält, auch wir fallen nicht aus dieser heilsamen Liebe Gottes. Und je länger wir dieser Liebe ausgesetzt sind, desto eher geschieht Heilung und Versöhnung.

Es gibt besondere Zeiten für Heilung. Gott handelt dann sehr intensiv. Heilung ist aber auch ein lebenslanger Prozess. Der vielleicht noch intensiver ist. Wir werden hineingenommen in den Heilungsprozess Gottes. Gott sieht uns jetzt schon heil und vollkommen. Und ob wir es glauben können oder nicht, wir sind schon längst auf der Reise der „Inneren Heilung“: Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen, damit wir heil werden. Amen.