Micha 6,8 Bezugnahme auf Antrittspredigt 14.10.18 Trautskirchen
und Abschiedspredigt am 16.1.22 Trautskirchen
So fing ich am 14.10. 2018 an:
„Liebe Trautskirchener Gemeindeglieder, liebe Festgemeinde!
Ich sehe in viele Gesichter. Erwartungsvolle, neugierige Gesichter. Was ist das für einer, der sich nach Trautskirchen traut?“
Und an der Stelle lachten viele. Der sich nach Trautskirchen traut. Das Lachen verriet mir, dass es nicht so einfach werden würde.
Ich bin der Pfarrer, der sich vor drei Jahren nach Trautskirchen getraut hat
Und ich bin der, der sich traut, schon nach drei Jahren wieder wegzuziehen. Es war für mich in der Tat beides ein mutiger Schritt, beides eine freie Entscheidung, beides auch mit alternativen Möglichkeiten.
Ich sprach damals davon, dass man auch einen Pfarrer oder eine Gemeinde auf Zeit haben kann Ich sagte damals: „Ich bin auf Zeit da, vielleicht zehn Jahre, vielleicht auch weniger.“ Und ahnte nicht, dass es nur drei Jahre sein würden. Ich sagte damals: “Wir haben uns immer nur auf Zeit. Deshalb sollten wir achtsam leben und diese Zeit miteinander hier in Trautskirchen als Geschenk begreifen.
Ich hatte dann über den damaligen Wochenspruch aus Micha gepredigt.
„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist…
So fängt er an. Und ich sagte damals: „Ich will gemeinsam mit euch überlegen, was gut ist für uns in Trautskirchen und die andern Menschen.“
Was ist gut?
Gut ist, was nützlich ist. Und zwar nicht nur gut für den einzelnen Menschen, sondern auch gut für eine Gemeinschaft – sogar gut für die ganze Menschheit. Gut ist also alles, was uns Menschen nützt.
Was ist „gut“?
Heute verstehe ich das so: Das Gute tun ist immer auch im Blick auf die Gemeinschaft. Was der Gemeinschaft oder Gesellschaft nützt, das tut, z.B. Lasst euch impfen. Dann tut ihr euch und eurer Gesellschaft etwas Gutes!
Aber was ist das Gute?
Gottes Wort halten. Martin Luthers Übersetzung ist hier nicht wirklich gut.
Das trifft es nicht ganz. Das ist keine gute Übersetzung. Richtig: Recht tun.
8 Es wurde dir gesagt, Mensch, was gut ist
das Rechte tun,
1. Was ist gut? Gut ist: Wenn wir darauf achten, das Rechte zu tun. Gut ist, wenn wir für benachteiligte Menschen eintreten, für die Schwachen der Gesellschaft.
Glaubwürdig ist das nur, wenn wir es in die Praxis umsetzen. Glaubwürdig ist das nur, wenn wir Recht tun. Nicht nur davon reden.“
Ich sagte dann:
„Daran sollt ihr mich ruhig messen. Ich möchte recht tun, glaubwürdig sein und werbe darum, mir als Pfarrer zu vertrauen.“
Ich hatte damals auch die Situation in Trautskirchen vor Augen. Damals ahnte ich nicht, wie schlimm die Situation tatsächlich war.
Recht tun, ist nicht einfach, wenn in einer Gemeinde vielen Menschen augenscheinlich Unrecht über Jahre angetan worden ist. Recht tun ist schwer bis unmöglich, wenn viele Menschen schlichtweg die Nase voll haben von Kirche und kirchlichen Vorbildern.
Eine für mich wichtige Erfahrung war für mich als Pfarrer in diesen drei Jahren: Ich habe Einblick bekommen, wie in Konfliktfällen von den Kirchenoberen eher zugedeckt als aufgedeckt wird, wie Unrecht eher unter den Teppich gekehrt wird, statt aufgearbeitet.
Ich verstehe inzwischen, warum Menschen von Kirche die Nase voll haben, warum sie aus der Kirche austreten oder sich nicht mehr am Leben der Gemeinden beteiligen. Ich staune inzwischen darüber, wie Menschen trotz allem, was in Kirche an Unrecht geschieht, dran bleiben, drin bleiben, sich engagieren. Hier mein Dank an die Mitglieder des Kirchenvorstandes, die mir den Rücken gestärkt haben. Wir haben nicht aufgegeben, dass Unrecht als Unrecht benannt wird. Und ich habe den Menschen zugehört. Mehr ging manchmal einfach nicht.
„2. Was ist gut? Liebe üben. So übersetzt Luther. Auch nicht ganz richtig.
Was wirklich gut ist, einander freundlich begegnen.
In den drei Jahren sind mir viele Menschen freundlich begegnet. Ja, es gab viele gute zwischenmenschlichen Begegnungen, bei denen mir das Herz aufgegangen ist, und auch das Herz der anderen.
Ja, ich habe auch Menschen kennengelernt,
die aus welchen Gründen auch immer mir nicht so freundlich begegnet sind. Ich hatte mich darauf eingestellt. Und war nicht überrascht.
Hier und da werden Menschen ihren Frust mit der Kirche auf mich als Pfarrer projiziert haben.
Hier und da haben sie wohl mich selbst gemeint, mit meinen eigenen Fehlern und Unvollkommenheiten. Natürlich habe ich in den drei Jahren auch Fehler gemacht. Natürlich war ich nicht vollkommen, nicht perfekt, hier und da war ich auch meinen eigenen Ängsten und Launen ausgesetzt. Wo das dir widerfahren ist und du dich über mich geärgert hast, bitte ich dich um Entschuldigung. Auch ich kann nicht immer freundlich sein.
Ich habe mich gerade während der Coronazeit darüber gefreut, manchmal danach gelechzt , wenn mir Menschen freundlich begegnet sind.
Es ist ja nicht so einfach, in dieser Coronazeit, dass wir einander freundlich begegnen konnten. Zuviel Abstand, zu viel Masken, es Zeiten, da konnten wir uns nicht einmal sehen. Gerade in dieser Coronazeit ist mir immer wieder bewusst geworden: Wir Menschen leben von freundlichen Worten, freundlichen Gesten, freundlichen Blicken.
Ich sagte damals:
„Freundlichkeit ist so etwas wie der Kitt in der Gesellschaft.“
Ich ahnte damals nicht, dass das Querdenken von Menschen sowas, wie der Spaltpilz in unserer Gesellschaft sein würde. Wer querdenkt, denkt in der Regel nicht an seine Mitmenschen. Aber dem Spaltpilz können wir den Kitt entgegensetzen: Freundlich sein, selbst wenn es den anderen wurscht ist. Freundlichkeiten sind der Kitt, der alles zusammenhält. Freundlichkeit bereichert auf jeden Fall unser Leben ist einfach gut.
Heute lese ich mit der Basisbibel: E ists noch einfacher
Manchmal sind Freundlichkeiten schon zu viel verlangt. Manchmal langt es, wenn wir es uns so sagen lassen: Es wurde dir gesagt, Mensch, was gut ist: Habe einfach
Nachsicht mit den anderen. Du machst Fehler, die anderen machen Fehler. Also, sei nachsichtig. Das ist gut.
3. Und nun das Dritte: Luther übersetzt Demütig sein vor Gott. Damals sagte ich:
Demütig sein vor Gott. Heißt für mich: Geh behutsam mit deinem Gott.“
Mit der Betonung auf „Gehe“. Gehe mit Gott. Vertraue nicht nur darauf, dass Gott deine Wege mitgeht.
Gehe deinen Weg mit Gott behutsam– warum behutsam?
Gut ist ein Glaube an Gott, gut ist ein mit Gott gehen, das mich selbst und meine Mitmenschen nachkommen lässt. Wer kann schon mit Gott Schritt halten? Gott ist viel langsamer, behutsamer als wir in unserem pausenlosen Schnellgang.“
Das waren damals meine Worte, so hatte ich damals Demut vor Gott verstanden.
Heute lese ich in der BB:
„Gehe bewusst den Weg mit deinem Gott.“
Ich gehe bewusst den Weg mit meinem Gott. Es ist nicht unbedingt mein Weg, den ich mir in den Kopf gesetzt habe. Ich gehe den Weg mit meinem Gott, egal wo es hingeht.
Hingekommen bin ich, sind wir in eine der schlimmsten Zeiten von Corona. Ich hoffe, dass wir sie bald durchschritten hab en. Aber es ist für mich eine Gotteserfahrung, die ich während der Coronazeit gemacht habe, machen durfte und ich durfte sie mit ein paar wenigen teilen.
Und ich habe diese Gotteserfahrung in den Zeiten gemacht, in der alles zu war, keine Gottesdienste, keine Kirchen, keine kirchlichen Traditionen wie Konfirmation, Nichts!
Als nichts los war,
als nichts war,
war nicht nichts!
Als nichts los war,
als nichts war,
war nicht nicht Gott,
Gott war da.
Das war meine persönliche Gotteserfahrung.
Gott war da, als ich keine Gottesdienste besuchen, geschweige denn halten konnte.
Gott war da, als in unseren Gemeinden alles zum Stillstand gekommen ist.
Gott war da für mich, obwohl ich mir sage: Mich braucht wohl keiner mehr, nicht zu den Gottesdiensten, nicht zu Seelsorgegespräche, nicht zu Besuchen. Es war eine fast ebenso tiefe Erfahrung: Nicht gebraucht zu werden. Aber die Gotteserfahrung war tiefer: Auch wenn ich von den Menschen und selbst von Gott nicht mehr gebraucht werde, finde ich doch ein Ja zu mir in den tiefsten Tiefen meines Seins. Gottes Ja.
Und dieses Ja macht mich demütig. Ich weiß jetzt: So wichtig bin ich nicht. Ich weiß, es gibt Zeiten, da werde ich nicht gebraucht. Es gibt Zeiten, da bin ich zu nichts mehr zu gebrauchen. Das macht mich demütig. Aber Gott – nein, er braucht mich nicht. Er liebt mich, obwohl er mich eigentlich gar nicht bräuchte.
So haben mich die stillgelegten Gotteshäuser und das darniederliegende Gemeindeleben, auch die Gottesdienste mit 10 Leuten diese Gotteserfahrung vom Demütig sein vor Gott machen lassen. Gott geht seinen Weg und ich kann mitgehen oder es sein lassen.
Corona hat mich gelehrt, demütig mit meinem Gottesglauben und meinem Gottesbild umzugehen. Ich habe meinen Glauben nicht in der Hand, Ich habe Gott nicht in der Hand. Wir haben unseren kirchlich geprägten Glauben nicht in der Hand. Wir haben Gott nicht in der Hand.
Wir Menschen machen Pläne, Kirche macht Stellenpläne. Aber Gott macht sein eigenes Ding. Das ist meine eigene Erfahrung zuletzt im Sommer des letzten Jahres. Womit man fest gerechnet hatte, ist auf einmal nicht mehr zu rechnen. Auf einmal geht nichts mehr.
Aber dann tut sich doch ganz woanders ein Türchen auf.
Aber verstehen tue ich nichts davon, warum und wieso alles so gekommen ist. Aber Gott geht seinen Weg, wie das Leben seinen Weg geht. Ich kann mitgehen und gestalten oder es sein lassen und erleiden. Ich habe mich zu Ersteren entschieden, gehe bewusst den Weg mit meinem Gott.
Oft genug verstehe ich Gott genauso wenig wie ihr.
Und ich habe auch keine Antworten, was die Zukunft unserer Kirche angeht.
Ich weiß nur: Gott ist da, selbst wenn wir Pfarrer nicht mehr gebraucht werden, Gott ist da, selbst wenn die Kirchen nicht mehr gebraucht werden. Selbst wenn Gott nicht mehr von den Menschen gebraucht wird. Gott ist da.
Es wurde dir gesagt, Mensch, was gut ist
und was der HERR von dir erwartet:
das Rechte tun, Nachsicht mit anderen haben
und bewusst den Weg mit deinem Gott gehen. Amen