20 Thesen zur Bibel
1. Die Bibel ist Menschenwort, von vielen unterschiedlichen Menschen zu unterschiedlichen Zeiten geschrieben. Sie ist als ein Menschenwerk ernst zu nehmen.
2. Weil die Bibel von Menschen gemacht worden ist, darf ihre Entstehungsgeschichte auch historisch-kritisch untersucht werden.
3. Das Alte Testament ist dem jüdischen Volk als ihr Heiliges Buch zurückzugeben. Der Bund mit dem Volk Israel darf nicht einfach christlich überzeichnet werden. Natürlich können wir auch als Christen von den jüdischen Schriften lernen.
4. Die Bibel ist nicht verbalinspiriert und darf auch nicht wörtlich genommen werden.
5. Der Kanon, d.h. was alles zu den biblischen Schriften gehört, ist nicht abgeschlossen, sondern bis zum heutigen Tag grundsätzlich offen. Apokryphische und andere frühchristliche Schriften stehen gleichrangig zu den in der Bibel kanonisierten Schriften.
6. Maßstab der Bibel und aller weiteren frühchristlichen Traditionen ist Jesus von Nazareth als der historische Mensch, der vor 2000 Jahren tatsächlich gelebt und Spuren einer radikal gelebten göttlichen Liebe hinterlassen hat, die bis heute die Menschheit prägen und beeindrucken. Darum ist es wichtig, dem historischen Jesus auf der Spur zu bleiben.
7. Die Überlieferung und Verschriftung des Leben Jesu hat sich schwer getan mit dieser bedingungslosen Liebe Gottes. Immer wieder wurde diese bedingungslose Liebe Gottes eingeschränkt, verfälscht, mit Bedingungen verknüpft.
8. Jede Überlieferung und Verschriftung des Lebens Jesu muss sich an dem Maßstab einer bedingungslosen Liebe Gottes messen lassen. Sofern sie damit übereinstimmt und sie in neue Vorstellungsformen und Bilder weiterentwickelt hat, ist auch eine Überlieferung und Verschriftung , die über den historischen Jesus in Ordnung. Jede Tradition muss sich allerdings kritisieren lassen, wenn sie die radikal gelebte Liebe Jeus einschränkt oder entschärft.
9. Die radikal gelebte Liebe Jesu von Nazareth erfährt ihre legitime Weiterführung als radikal gelebte Liebe Jesu Christi. Jede nachösterliche Botschaft muss sich am historischen Jesus messen lassen.
10. Im Neuen Testament wurden Geschichten und Worte Jesu von Nazareth weitererzählt, verformt, manchmal verfälscht. Es ist eine legitime theologische Weiterführung, wenn dem historischen Jesus Worte in den Mund gelegt und biblische Geschichten umgeformt, weitererzählt oder auch neu erfunden werden, sofern sie sich mit dem Maßstab der Agapeliebe messen lassen.
11. Geschichten und Worte Jesu sind als Verfälschung zu betrachten und abzulehnen, wenn sie hinter dem Anspruch des historischen Jesu zurückfallen.
12. Biblische Geschichten und biblische Worte dürfen grundsätzlich umgeformt, weitererzählt, auch neu erfunden werden weit über den biblischen Kanon hinaus. Die Bibel ist ein offenes Buch, darf beliebig kopiert, verbreitet und genutzt werden: Die Bibel als open source darf verändert und in der veränderten Form weitergegeben werden. Die Volxbibel ist die erste Bibelübersetzung der Welt, an der jeder Mensch über das Internet mitgestalten und formulieren kann. Schon lange vorher, im Grunde genommen mit Beginn der mündlichen und schriftlichen Weitergabe der biblischen Botschaft, ist die Bibel ein Buch, in der Geschichten und Worte aus biblischer Tradition erzählt, kopiert, vervielfacht, neu erzählt, korrigiert, in neue Kultur und Zeiten übersetzt wurde. Die Bibel ist ein Buch, das schon immer Überliefertes weitererzählt auch in dem Sinne, dass Geschichten anders weitererzählt werden. Unsere Aufgabe ist es, die Bibel weiterzuschreiben. Wir dürfen die Bibel nicht als ein fertiges Kompendium begreifen. Geschrieben wird an ihr bis zum heutigen Tag.
13. Nichts von der Bibel ist deshalb fest geschrieben für alle Zeiten. Die Bibel ist grundsätzlich nichts Unantastbares. Im Gegenteil, sie ist antastbar, hinterfragbar, widersprüchlich, vielstimmig und darf weitergeschrieben werden.
14. Ein wichtiger Zugang zur Bibel ist das Bibliodrama, in der mit der Bibel gespielt wird.
Ich spiele mit der Bibel. Wir spielen mit der Bibel. Die Geschichten in der Bibel erleben wir spielerisch, spielen sie nach, erleben sie nach, aber nicht buchstabengetreu, sondern mit offenem Ende. Biblische Geschichten können neu erlebt werden, auch verändert werden.
15. Gerade im bibliodramatischen Spiel ist die Bibel immer noch etwas Heiliges, etwas Kostbares, etwas, wodurch Herz und Leib, Verstand und alle Sinne berührt werden können auf eine Weise, die mich vom Wirken des Heiligen Geistes reden lässt. Aber im Antasten, Berühren, Erfahren, auch im Widersprechen und im Andersspielen darf sie hinterfragt, manchmal auch abgelehnt werden.
16. Was für den bibliodramatischen Zugang bedeutet, bedeutet auch für jeden anderen Zugang zur Bibel. Bibel kann und soll weitergeschrieben werden.
17. Biblische Tradition enthält auch poetische Texte. Dichtung ist eine spezielle deutsche Wortbildung gegenüber dem Poesie. Manche biblische Überlieferung ist verdichteter Text, eine Konzentration aufs Wesentliche, verdichtet als Dichtung oder auch als Gedicht. Wenn etwas gedichtet wurde, ist es im ursprünglich historischen Sinn zwar eventuell nicht geschehen, aber dennoch wahr. (Beispiel Ostergeschichten)
18. Ein weiterer Zugang zur Bibel ist der Gedanke der Phantasie. Phantasie ist die kreative Fähigkeit des Menschen, durch Bilder, Worte oder Ideen schöpferisch tätig zu werden. Auch die Bibel wurde und wird von Menschen phantasievoll weitererzählt. Es ist zu unterscheiden zwischen einer bloßen Fiktion bzw. eines bloßen Hirngespinstes und Trugbildes und den christlichen Hoffnungsbildern wie sie z.B. die Weihnachtsgeschichte darstellt. Es ist eine theologische Aufgabe, zwischen biblischen Trugbilder und phantasievollen, schöpferischem Weitererzählen einer biblischen Begebenheit zu unterscheiden.
19. Wir brauchen die Bibel, um über unseren eigenen Lebenshorizont hinausschauen zu können. Wir brauchen das Gespräch mit ein¬er Tra¬di¬tion, die älter ist als wir sel¬ber. Das Gespräch mit ei¬nem biblischen Text, der mehr weiß als wir wissen. Mit Erfahrungen, die über unsere eigenen sehr begrenzten Erfahrungen hinausgehen. Wir brauchen die Bibel, weil sie andere Geschichten erzählt, die wir sonst nirgendwo hören. Weil sie originelle Gedanken hat, auf die wir so nicht kommen. Sie erzählt z.B. von Auferweckung, wo unsere Erfahrung nur bis zum Tod reicht. Sie mahnt eindringlich zum Frieden, wo wir schnell denken, es gäbe zum Krieg keine Alternative. Sie wirbt um eine bedingungslose Liebe, wo wir denken, es reicht, bis hierher und nicht weiter.
20. Die Bibel soll auch mit unserem Leben weiter geschrieben werden. Ihr seid ein Brief Christi, schreibt Paulus seinen Gemeindegliedern. D.h. mit unserem Leben sollen wir Geschichten und Worte Gottes schreiben, in denen von Mitmenschlichkeit, von Liebe und Hingabe, von Wahrheit, Großzügigkeit, und Vergebung die Rede ist und diese ins Leben umgesetzt werden